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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Utitz, Emil: Zweckmässigkeit und Schönheit: Eine ästhetische Betrachtung
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Schulze, Otto: Künstlerische Begabung und künstlerische Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0036

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emporragen, die scheinbar sehr wenig tragen.
Sofort ergibt sich der Eindruck des Unnützen,
Unzweckmäßigen. Also es erfreut nur die
Erscheinung einer zweckmäßigen Konstruk-
tion. Und damit haben wir den einheitlichen
Zusammenhang dieser beiden Faktoren ge-
funden : scheinbare Zweckmäßigkeit genügt
häufig nicht; es muß dazu der Eindruck des
Konstruktiven treten. Letzterer allein genügt

wieder nicht, da wir den Eindruck einer
zweckmäßigen Konstruktion fordern. Selbst-
verständlich sind dies nicht die einzigen
Gesetze, die für eine Ästhetik der Archi-
tektur und des Kunstgewerbes in Betracht
kommen; uns aber verlangte es ja hier ledig-
lich nach einer Klärung des vieldeutigen und
viel umstrittenen Begriffes der Zweckmäßig-
keit im Hinblick auf die Schönheit.

Künstlerische Begabung und künstlerische Erziehung.

VON OTTO SCHULZE ELBERFELD.

Bei der großen Bedeutung unserer Deutschen
Kunstzeitschriften, die im Laufe der Zeit
ihren Weg über die Familie hinaus in die
breite Öffentlichkeit gefunden haben, und hier
von Tag zu Tag immer mehr an Ansehen
und Einfluß auch auf die maßgebenden Kreise
gewinnen, scheint es verwunderlich, daß nicht
des öftern ein Thema wie das hier im Titel
festgelegte Erörterung findet. Der breite
Strom der Kunstbewegung, der anfänglich mit
mächtigem Brausen alle Volksschichten zu
umspülen, ja mitzureißen suchte, der in der
»Kind und Kunstbewegung« einen so leben-
digen Widerhall fand und von der Darmstädter
Zeitschrift »Kind und Kunst« getragen wurde,
scheint wohl doch sein Bett nicht so recht
in die Tiefe gegraben zu haben, daß man
von Erziehungsfragen auf künstlerischem Ge-
biete jetzt so wenig hört. Auch die Kunst-
erziehungsfragen, die auf den Tagungen in
Weimar und Dresden eine ganze Schar der
besten Kämpfer um die edle Sache vereinten
und bei der Stellungnahme der modernen
Schulreformer auf sichtbare Nachwirkungen
hoffen ließen, scheinen im Getöse der For-
derungen wirtschaftlichen und schulpolitischen
Inhalts und im Kampfe der Kirche und
Schule gegen Unkirchlichkeit und Unsittlich-
keit ins Hintertreffen zu geraten. Gewisse
Bestrebungen, die trotz aller Reinheit und
kulturellen Tragweite von Philister- und
Muckertum bekämpft werden, scheinen von
vornherein schon dadurch gebrandmarkt, daß
in ihnen die moderne Kunstpflege Stützpunkte
sucht und findet. Vielen der Rückständigen
sind nun aber moderne Kunst und Unsitt-
lichkeit und Gottlosigkeit aus derselben Quelle
geschöpfte Tränklein der bösen Lust, die
jeden guten Keim im Menschen ersäufen.
Der Kampf gegen die Moderne tobt heute

stärker denn je zuvor, und eine von starken
()rganisationen planmäßig vorbereitete Reaktion
scheint sich kältend über die jungen Triebe
der letzten hoffnungsvollen Aussaat zu breiten.

Wie wenig Boden haben doch die ein-
fachsten Begriffe über Kunst gewonnen, wie
sehr ist man noch im unklaren darüber: wie
Kunst wird und was sie zum Gedeihen
braucht; daß man Kunst nicht lehren
noch lernen kann; daß Kunst uns mit-
gegeben sein muß, wenn sie aus uns
heraus eine produktive Auferstehung
feiern will; daß auch alle in ihrem
Seelenleben auf Kunst gestimmt sein
müssen, wenn deren Werke die Reso-
nanz in ihnen haben sollen.

Jene Bewegung, die alle Welt mit Kunst
beglücken wollte, scheint ihr Samenkörnlein
ausgestreut zu haben wie der Sämann im
Gleichnis; man ist erstaunt über die geringen
Erfolge. Man begreift immer noch nicht, daß
Qualitätskunst für die breite Menge des
Volkes nichts ist, und daß eine gewisse sen-
sible Schöntuerei keine Kunst ist, wenigstens
nicht für biedere und derbe Deutsche, auch
nicht für die angeblichen Feinschmecker unter
ihnen. Wenn vereinzelte Auswüchse in der
modernen Programm- und Sensationskunst
zum Widerspruch gereizt haben, ja zu Feind-
seligkeiten und Verfolgung führten, so kann
man sich nicht sehr zum Verteidiger auf-
werten, wenn aber wegen solcher Entgleis-
ungen der heilige Krieg gegen die Kunst ge-
predigt wird, dann sollte man doch bangen
um das Allerheiligste eines Volkes und in
Zorn geraten.

Schlechte Kunst wird gerade zur Zeit
solcher Krisen viel zu viel produziert, gute
Kunst viel zu wenig. Wo in blindem Eifer
das Gute bekämpft wird, da wuchert das

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