Hier verkehren Leute in schweren Stiefeln
— dort solche in Ballschuhen. — Hier wird
die Sense an ihren Platz gehängt — dort
soll zur Aufnahme von Jackets oder seidenen
Shawls Vorrichtung getroffen sein. Im Bauern-
haus hockt man beieinander — im Kurhaus
will man aneinander vorbei promenieren
können. —
Also weshalb soll dann das Kurhaus wie
ein Bauernhaus aussehen?
Kann hier ein anderer als ein fortschritt-
licher Geist etwas Zweckmäßiges schaffen?
Ist die Maske jemals als etwas natür-
liches angesprochen worden ?
2. Doch was bleibt eigentlich noch vor
den Bodenständigkeitssuchern Gutes in un-
serem deutschen Vaterland bestehen — wenn
nach ihren, jetzt so maßgeblichen Gefühlen,
für Oberbayern nur das oberbayerische Bauern-
haus, für die Stadt nur das Barockpalais des
18. Jahrhunderts landentsprechend sein sollte?
Was sind denn dann alle die großen, die
größten Schloßherren für gott- und heimat-
verlassene Subjekte gewesen, die da Schlösser
im französischen oder italienischen Stile just
über das Pfarrdorf bauten. — Und wie
frevelhaft war die Kirche, daß sie je sich
traute, fremde Bauherren von weither zu be-
rufen, damit sie in ihrer eigenen Weise ein
neues Kunstwerk ins kleine unbeachtete
Dörfchen stellten.
Wo kommen wir hin mit unserer Phrase
der Bodenständigkeit?
Wie viel müßte negiert werden als un-
deutsch — von denen die von Bodenständig-
keit schwärmen — aber gleichzeitig nur
etwas Bescheid wissen in der Geschichte
der Kunst, der Kunstaufträge, der Kunst-
praxis von ehedem.
3. Endlich noch eine Frage an die
Freunde der »Tradition«.
Wenn's so etwas vorzügliches ist um die
Tradition der Bauweise und der Formen —
dann müssen doch zweifellos diejenigen die
größten Künstler aller Zeiten gewesen sein,
die schön ruhig in den bequemen Wegen
der Tradition weitergingen!
Ist's auch nur ungefähr so ?
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— dort solche in Ballschuhen. — Hier wird
die Sense an ihren Platz gehängt — dort
soll zur Aufnahme von Jackets oder seidenen
Shawls Vorrichtung getroffen sein. Im Bauern-
haus hockt man beieinander — im Kurhaus
will man aneinander vorbei promenieren
können. —
Also weshalb soll dann das Kurhaus wie
ein Bauernhaus aussehen?
Kann hier ein anderer als ein fortschritt-
licher Geist etwas Zweckmäßiges schaffen?
Ist die Maske jemals als etwas natür-
liches angesprochen worden ?
2. Doch was bleibt eigentlich noch vor
den Bodenständigkeitssuchern Gutes in un-
serem deutschen Vaterland bestehen — wenn
nach ihren, jetzt so maßgeblichen Gefühlen,
für Oberbayern nur das oberbayerische Bauern-
haus, für die Stadt nur das Barockpalais des
18. Jahrhunderts landentsprechend sein sollte?
Was sind denn dann alle die großen, die
größten Schloßherren für gott- und heimat-
verlassene Subjekte gewesen, die da Schlösser
im französischen oder italienischen Stile just
über das Pfarrdorf bauten. — Und wie
frevelhaft war die Kirche, daß sie je sich
traute, fremde Bauherren von weither zu be-
rufen, damit sie in ihrer eigenen Weise ein
neues Kunstwerk ins kleine unbeachtete
Dörfchen stellten.
Wo kommen wir hin mit unserer Phrase
der Bodenständigkeit?
Wie viel müßte negiert werden als un-
deutsch — von denen die von Bodenständig-
keit schwärmen — aber gleichzeitig nur
etwas Bescheid wissen in der Geschichte
der Kunst, der Kunstaufträge, der Kunst-
praxis von ehedem.
3. Endlich noch eine Frage an die
Freunde der »Tradition«.
Wenn's so etwas vorzügliches ist um die
Tradition der Bauweise und der Formen —
dann müssen doch zweifellos diejenigen die
größten Künstler aller Zeiten gewesen sein,
die schön ruhig in den bequemen Wegen
der Tradition weitergingen!
Ist's auch nur ungefähr so ?
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