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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Schaukal, Richard: Zur Ästhetik der Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0294

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Zur Ästhetik der Ausstellungen.

ERICH KLEINHEMPEL—DRESDEN.

eine auch nicht von den feinsten Händen gerüstete
Ausstellung historischer Gegenstände des täg-
lichen Lebens besuchen, fühlen wir uns von der
Einheitlichkeit des Abgeschlossenen harmonisch
berührt. Aber eine Zusammenhaltung des Zu-
fälligen, des vom Einzelnen willkürlich Er-
zeugten kann nicht anders als übel wirken. Wenn
man in einem Glaskasten auf plüschverhängtem
Sockel um die Büste eines Monarchen Halskragen
oder Handschuhe oder Schirmgriffe oder Strauß-
federn gruppiert sieht, so ist das ästhetisch ein Un-
fug greulichster Art. Und hunderte solcher Glas-
kasten von den verschiedensten Gestalten ergeben
eine um nichts imponierendere Versammlung.

Ich kann mir ganz gut vorstellen, dag hundert-
tausend Badeschwämme oder hunderttausend
weiße Handschuhe, zu Haufen getürmt oder sonst-
wie gestapelt, angenehm dekorativ, ja mächtig
wirken müßten. Aber 50 Paar Handschuhe auf
der einen Seite und die Ausrüstungsgegenstände
des Touristen in „malerischer" Gruppe (womög-
lich mit Panoramahintergrund!) gegenüber sind
zusammen eine Geschmacklosigkeit.

Man merkt die „springenden Punkte". Es
ist zu unterscheiden zwischen dem „an sich"
geschmacklosen Darstellungsmittel — die „so mit
Recht" beliebten „Tableaus" der Schneider und
Schneiderinnen: diese läppischen Panoptikum-
szenen! — und dem was in einer, gewissen An-
ordnung und Zusammenfügung erst geschmacklos
wirkt, ferner dem auf geschmacklose Weise her-
gestellten Gegenstand und dem geschmack-
losen „Ding an sich" (so z. B. sind ein Gummi-
zugschuh, eine „fertige" Kravatte, ein Zellu-
loidkragen, ein Kragenschoner mit Druckknopf
etc. etc. „an sich" geschmacklose Dinge, gegen
die man mit Hohn ankämpfen, die man mit Wut
austilgen, nicht ausstellen sollte!).

Fassen wir die Ergebnisse und Forderungen

Armband in Silber. Ausführung: Theodor Fahrner—Pforzheim.

zu Thesen zusammen: Ausstellungen überhaupt
sind wie alles Demonstrative eigentlich eine Ge-
schmacklosigkeit. Ausstellungen — abgesehen
von historischen — könnten nur durch Anord-
nung der auszustellenden Gegenstände nach äs-
thetischen Gesichtspunkten erträglich werden
(Analogon: das ästhetische Schaufenster). In
unsern Ausstellungen unterliegt das Streben nach
Gesamteindruck — bleibe hier dahingestellt, ob
seine Arrangeure, die Kommission, den richtigen
als Ziel erfassen — dem Einzelstreben der
undisziplinierten und geschmacklosen Aussteller-
Individuen. Mit der Tradition des Ausstellungs-
wesens (Tableaus, Gruppen, Embleme, Allegorien)
ist zu brechen (da denn Ausstellungen überhaupt
sein müssen; die Gründe sind rein geschäftlicher
Natur). Die Jury - zusammengeserjt aus äs-
thetisch maßgebenden Faktoren - müßte auf das
strengste die Auswahl treffen.

Heute sieht die Sache so aus: Jede Firma
wird zugelassen. Ausstellungen dienen ja dem
Angebot. Es will sich begreiflicherweise jeder
bei solcher Gelegenheit zeigen. Der Inhaber
oder seine Angestellten besorgen das Arrange-
ment ihres Pavillons, ihres Standplatjes. Was
da herauskommt, ist klar: fast immer Entsetj-
liches. Ferner: es wird zu Ausstellungszwecken
produziert. Ergebnis: Demonstrations-Objekte
schnödester Natur. Und das Gesamtbild? Hier
eine Modistin aus der Vorstadt mit den Aus-
geburten ihrer ehrgeizgekitjelten Phantasie, dort
ein Massenerzeuger von Surrogatware, der mit
der Devise: Jedem etwas, seinen Kram auslegt.
Ein greller Farben- und Formenlärm auf engem
Raum, dazu die bloß nach Utilitätsgründen ver-
teilte Beleuchtung, wilde ad hoc - „Dekoration"
und — das Promenadekonzert nebst angehängtem
Büfettsalon. Ein Kapitel aus der „Kultur" der
entsetjlichen Gegenwart. — r. sch.

BROSCHE
IN SILBER.

WIENER

wirkstXtte.
 
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