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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Otto, Karl Heinrich: Der Stil des Bestellers
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0313

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Der Stil, des Bestellers.

Phrase, die Möbel und Räume der fran-
zösischen Königsschlösser zeigen einen könig-
lichen Stil, wie die Möbel und Räume aus der
Biedermeierzeit einen spießbürgerlichen Stil
zeigen. Sie alle waren Auftraggeber von per-
sönlichster Art, die sich für Lösung und Aus-
führung interessierten bis zum letzten Polster-
nagel. Nicht im entferntesten haben wir etwas
ähnliches heute. Und somit wäre es gut, wenn
wieder eigene Gewohnheiten und Ansprüche, ja
selbst Liebhabereien von Auftraggebern sowohl
rückwirkend auf die Absichten des Künstlers
wie auf die Arbeit des Ausführenden würden.

Auch unser eigenes Berufsleben müßte
dabei viel mehr in den Vordergrund treten.
Die Wohnung eines Offiziers wird, wenn sie
der Individualität des Bestellers angepaßt ist,
von der eines Juristen oder Malers abweichen.
Je mehr wir das zu erreichen suchen, um so
mehr persönliche Kunst werden wir bekommen,
unbeschadet des individuellen Gepräges der
künstlerischen Eigenart des Verwirklichers
unserer Ideen. Je mehr wir damit aus uns
herausgehen, je mehr nehmen wir der Scha-
blone die Herrschaft über unsere Umgebung.

Naturgemäß kann der Stil des Bestellers
nicht überall von fühlbarem Einfluß werden;
bei vielen Werken der hohen Kunst, die auf

Auftrag hin entstehen, würde eine dahin
zielende Forderung auf Widerstand und
Schwierigkeiten stoßen. Selbstverständlich
würde aber auch der wirklich kunstverständige
und feinsinnige Besteller an den Künstler
keine Zumutungen stellen, die seinen Auftrag
lieber unerteilt ließen, denn der Künstler darf
unter keinen Umständen Zugeständnisse um
des Auftrags willen machen, die seine künst-
lerische Persönlichkeit in Frage zu stellen
vermöchten. Dann lieber auf einen Auftrag
verzichten. Aber hier kann auch leicht der
Künstler auf Charakter- und Berufs-Eigentüm-
lichkeiten des Bestellers eingehen, ohne sich
auch nur das geringste zu vergeben, wenn er,
sagen wir, es handle sich um ein Bild für
einen bestimmten Raum, sei es Festsaal oder
Hauskapelle, sich dem in diesen Räumen
herrschenden Stil des Bestellers anpaßt. Wir
wissen, daß Maler im Gegensinne schon in
manchem schönen Raum die Raumwirkung
in Grund und Boden gemalt haben. Doch,
wenn der Besteller bei Kunstwerken schlecht-
hin als Käufer auftritt, dann kann er, wenn
er sich zu persönlichem Geschmack und
Selbständigkeit im Urteil durchgerungen hat,
in der Wahl der Kunstware Zeugnis seines
persönlichen Stils ablegen, karl Heinrich otto.

1908. XI. 3.
 
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