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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Breuer, Robert: Kunstgewerbe und Wirtschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0319

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Kunstgewerbe und Wirtschaft.

denen der seelisch unbeteiligte Kapita-
list verdienen will; die aber ohne diesen
Kapitalisten, dessen Materialhergabe,
Maschinen, Arbeits- und Vertriebsappa-
rat, ohne dessen Risiko, nicht geschaffen
werden könnten. — Der Durchschnitts-
unternehmer braucht einen Mann, der
das zeichnet, was die große Masse zu
kaufen beliebt. Ein gefügiges Indi-
viduum, das irgend eine Malschule ab-
gesessen und nun aus einem Arsenal
gefüllter Mappen »Originale« zusammen-
braut. Der erstklassige Unternehmer,
der auf gute, zahlungsfähige und wohl
auch ästhetisch orientierte Kundschaft
rechnet, engagiert sich einen echten
Künstler, eine Individualität. Aber auch
jetzt vermögen die kunstgewerblichen
Formen sich nicht nur aus inneren
Gründen zu entfalten. Der Künstler
muß Konzessionen machen, an den
Geschmack des Publikums, an die
Mode. Das Schlimmste aber ist:
der Künstler muß stets etwas
Neues machen, jedes Stück soll
eine Reklame sein. Mit dieser
Feststellung ist der schwerste Schaden

wilhelm bader darmstadt.

Mädchenkopf.

bloßgelegt, an dem unser Kunstgewerbe
noch immer leidet: es mangelt eine
stetige, gradaufwachsende Ent-
wicklung; statt dessen herrscht
sprunghaftes Sensationsgelüst,
vibrierende Unruhe. Ein Unterneh-
mer will dem andern den Rang, die
Kunden, ablaufen. Auffallen! heißt die
Parole, die Konkurrenz übertrumpfen!
Und der Künstler kann solchem Hexen-
sabbath nicht entrinnen, er muß nach
dem Unerhörten jagen. Denn schon
stehen zwanzig andere Künstler bereit,
die Ansprüche des Unternehmers zu
erfüllen. Der platonische Idealist müßte
wieder anfangen, Tafelbilder zu malen,
wie er tat, bevor er durch das Kunst-
gewerbe seine Lebenshaltung hob . . .
Wodurch wird der Fluch des Kapitalis-
mus von der Kunst weichen? Durch
Hebung des allgemeinen Kulturniveaus.
Wenn man von dem Kunstgewerbe nicht
mehr soviel sprechen und schreiben
wird, wenn eine schöne Wohnungs-
Einrichtung ebenso selbstverständlich
wie ein gut gewaschenes Gesicht, wenn

wilh. bader darmstadt. Frauenkopf. aus den hastenden Formen sich ein

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