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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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M.: I. Jahres-Versammlung des Deutschen Werkbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0349

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/ Jahres- Versammlung des Deutschen Werkbundes.

I. JAHRES-VERSAMMLUNG DES DEUTSCHEN WERKBUNDES.

Am 5. und 6. Oktober 1907 ist in München
l der Deutsche Werkbund gegründet worden.
Das Ziel der Vereinigung spricht die Bundes-
satzung in den Worten aus: Veredelung der
gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von
Kunst, Industrie und Handwerk, durch Er-
ziehung, Propaganda und geschlossene Stellung-
nahme zu einschlägigen Fragen.

Im Deutschen Werkbunde ist der erste
Versuch zu einer umfassenden nationalen
Organisation aller am deutschen Kunstgewerbe
Interessierten gegeben — ein bedeutsames
Zeichen dafür, welche wichtige Wegstrecke
die Entwicklung schon zurückgelegt hat, aber
auch dafür, wie viele und schwere Arbeit in
nächster Zukunft noch zu leisten ist. Bisher
hat die Sache des Kunstgewerbes fast aus-
schließlich auf privater Initiative gestanden-,
den bedeutenden Faktoren des Staates und
der Jugenderziehung gegenüber, um nur diese
zu nennen, besaß er weder eine formale noch
eine hinreichend durchschlagende materiale
Macht. Hätte der Deutsche Werkbund, diese
Vereinigung von »Künstlern, Gewerbetreibenden
und Sachverständigen«, auch keine andere
Bedeutung als die, daß er die Regierenden
zur Stellungnahme nötigt, er wäre in seinem
Bestände gerechtfertigt. Jedenfalls bedeutet
er gegenwärtig die einzige vollwichtige Bürg-
schaft dafür, daß zur Förderung der neuen
kulturellen und geschmacklichen Bewegung,
zu der sich das »moderne Kunstgewerbe«
ausgewachsen hat, alle erdenklichen, wirk-
samen Werkzeuge in Arbeit gesetzt werden.

Am 10. und 11. Juli ist der Bund zu
seiner ersten Tagung zusammengetreten. Der
Besuch war ein über Erwarten starker; so-
wohl die Künstler, als auch die Industriellen
hatten ihre Vertreter entsandt und die ver-
schiedenen Regierungen waren gleichfalls durch
ihre Sachverständigen anwesend. Von den
bayerischen Ministerien nahmen Ministerialrat
Dr. v. Blaul und die Oberregierungsräte
Dr. Winterstein und Kahr teil. Oberregierungs-
rat v. Dönhoff vom Handelsministerium und
Regierungsrat Albert vom Reichsamt des
Innern waren von Berlin gekommen.

Der erste Tag trug in der Hauptsache
festlichen Charakter, das heißt er brachte
zwar keine Toaste und keine klischierte Be-
grüßungs-Ansprachen, aber er diente doch in

erster Linie dem Ausdrucke der Allgemein-
stimmung, die die Teilnehmer erfüllte.
Theodor Fischer sprach über »die Ver-
edelung der gewerblichen Arbeit im Zu-
sammenwirken von Kunst, Industrie und Hand-
werk«. Herr Direktor Gericke hatte das
Korreferat. Beide Parteien, so Industrie wie
Kunst, sahen die Garantie für eine weitere
Gesundung und einen stetigen Fortschritt der
gewerblichen Produktion in der Zunahme des
gegenseitigen Verständnisses und einem in-
timen Handinhandarbeiten der verschiedenen
Faktoren. In der Diskussion sprachen neben
Riemerschmid und einigen andern Herren
Muthesius, der in der Hebung der Qualität
der Massen-Produktion die moderne Idee des
Deutschen Werkbundes erblickte, und Naumann,
der nun die Zeit begrüßt, da das alte Renommee
Frankreichs und Englands zu einem guten Teil
auf Deutschland überzufließen beginnt. Alle
Redner waren sich darin einig, daß die gewerb-
liche Arbeit nur dann der Nation wahren und
dauernden Nutzen zu bringen vermag, wenn
sie von einer aufrichtigen und großen Ge-
sinnung getragen würde. Die bloße, stumpfe,
mechanische Arbeit sei weder für den einzel-
nen, noch für das Volk eine Kapitalsver-
mehrung. Die stumpfsinnige Arbeit unter-
stehe dem ehernen Lohngesetz; nur Arbeit
mit Geist, nur Qualitätsarbeit sei nicht zu
imitieren, sei nicht dauernd billiger zu machen,
müsse schließlich doch das Geld auf sich zu-
strömen machen und den Markt behaHen.

Die Redner bemühten sich, dem Inhalt
an idealen Triebkräften, dem der Bund und
die von ihm vertretene Sache ihr Dasein
verdanken, werbefähigen Ausdruck zu geben.
Festlich war der Eindruck, der daraus ent-
stand, denn immer wirkt es festlich, zu sehen,
wie große Gedanken bindend und bewegend
sich der großen Zahl bemächtigen, zu fühlen,
daß eine große Sache, der Willkür des
Einzelnen entrückt, sich dunkel in Gang
setzt. Hing früher die Sache des Kunst-
gewerbes einzig und allein am Willen und der
Intelligenz Weniger, so ist sie heute schon
in die frommen Regionen des Gefühls
hinabgesunken und nährt sich von den
besten Kräften des Volkes. In diesem Sinne
hatte Muthesius recht, wenn er in seiner
Rede sagte, der »Deutsche Werkbund« sei ein

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