Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

DOI article:
Muschner, Georg: Ernst Liebermann - München
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0355

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ERNST LIEBERMANN - MÜNCHEN.

Ernst Liebermann hatte früher viel darunter
zu leiden, daß es noch einen Maler
gibt namens Max Liebermann. Da Berlin
und München immer noch ganz unnötiger
Weise gegen einander gehetzt werden, so daß
eines seine Künstler gegen die des andern
ausspielt, mußte der jüngere Münchner das
entgelten; entweder sprach man ungerechter
Weise nur von Liebermann schlankweg, oder
man verglich den Münchner zu seinen Un-
gunsten mit dem Berliner. Derartige Ver-
gleiche sind beliebt, vielleicht weil sie so
billig sind. Sie sind aber unangebracht,
wenn Künstler, wie diese beiden, nichts mit-
einander gemein haben als den Familien-
namen-, sie sind nicht einmal verwandt; sie
sind weder als Menschen noch als Künstler
irgendwie gleich oder ähnlich. Wenn aber
durchaus verglichen werden soll, so darf das
in solchem Falle nur der Kritiker sich er-
lauben, der von vornherein den Ruf ernster
unparteiischer Sachlichkeit besitzt. Ein solcher
könnte dann vielleicht zu einigen Erkennt-
nissen kommen, indem er den Kontrasten
die positiven Eigenschaften beider deutlich
macht. Er könnte z. B. sagen, daß Max

Liebermann sich in die internationale, Ernst
Liebermann sich in die deutsche Kunst
hineinentwickelt hat; oder etwa, daß der Ber-
liner Maler als eminenter Techniker impressio-
nistische und restlos realistische malerische
Bilder malt, während der Münchner Künstler
über technische Möglichkeiten hinweg nach
gefestigten gehaltvollen malerischen Gemüts-
werken strebt. Doch wäre damit wenig ge-
wonnen, jedenfalls noch nicht das Recht, den
einen gegen den andern zu werten. Man
kann den einen groß nennen, ohne den andern
klein zu machen-, man kann den einen mo-
dern nennen, ohne das deutsche Moment des
andern als unmodern oder verächtlich hinzu-
stellen. So lange jedoch solche allgemeine
und gar nicht belegte, sondern sich in Schlag-
worten bewegenden Vergleiche zu Aburteilungen
benützt werden, stören sie nur den Arbeits-
frieden. Freilich hat heutzutage unter dieser
Art von Störenfried-Kritik so ziemlich jeder
Künstler einmal zu leiden. Darum sei hier ein-
mal in aller Ruhe darauf hingewiesen, wie
wenig doch diese beiden gemein haben und wie
man doch je nach Geschmack, Laune und
Geschäftsrichtung sich an den seinen halten

1908. XII. 1.

341
 
Annotationen