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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Muschner, Georg: Ernst Liebermann - München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0356

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Georg Muschner—München:

kknst liebermann münchen. »Vor'm Nymphenburgcr Schluß«.

möge, ohne dem historischen Urteil von über
hundert Jahren vorzugreifen. Der Münchner
Ernst Liebermann ist zudem zwanzig Jahre
jünger als sein großer Namensvetter! Aber
er ist nun doch auch längst über die Zeit
hinaus, da der Ruhm des andern ihm viel-
leicht hätte tragisch werden können. Nicht
ihn zu verteidigen, wurde das Vorausgeschickte
gesagt, sondern um den hier zu Schildernden
aus dem ewigen Streit, aus Angriff und Ver-
teidigung herauszuholen. Seit diese Zeitschrift
das letzte Mal — siehe »D. K. u. D.« Sept.-
Heft 1906 — über Ernst Liebermann be-
richtete, hat der Künstler tüchtig und unbe-
irrt gearbeitet und interessante Entwicklungen
durchgemacht; darüber zu sprechen, ist die
Aufgabe dieses Aufsatzes.

Die Vorwürfe, die man dem Münchner
Liebermann früher vielleicht einmal machen
konnte, waren, daß seine Kunst zu bescheiden
und etwas zu schüchtern, zu selbstquälerisch
und ein wenig zu mühevoll daherkam. Diese
sonst so gar nicht Münchnerische Art wird
aber bedeutungsvoll, wenn man erkennt, daß
sie nur sichtbar wird, wo Einer nach viel
kühneren Zielen trachtet, als er vorerst gibt.

Seltsam, es leben Künstler, deren Bilder findet
man gut, wie sie sind; andere, bei denen ist
man nicht ganz zufrieden, auch wenn sie
Bestes bringen. Die Impressionisten haben es
darum so leicht, man will von ihnen nur ihre
Eindrücke, man erwartet nicht mehr als glück-
liche Ausschnitte und Fragmente. Bei den
Meistern einer andern Kunst, jener, die es
nicht nur sich recht machen will, sondern
vor Allen bestehen möchte, lebt ein Etwas
in den Werken, das zur Mitarbeit und da-
durch zur strengeren Kontrolle und Kritik
reizt; man erfühlt mit die Linie zum ewigen
Meisterstück. Was Wunder, wenn diese Art
der Künstler ewig mit sich unzufrieden ist.
Doch kommen auch sie auf ihrem Wege zu
ihrer Höhe. Schon die Zeit tut das Ihrige.
Wenige Jahre und auch der Zaudernde, Grü-
belnde, sich Mühende erlangt die größere
Kraft und Rundung und damit den Eigen-
willen und den Schwung zur Höhe. Jede
reifende Kunst reift ins Souveräne.

Wenn Ernst Liebermann dem herrschenden
Zeitgeschmack das Zugeständnis machen wollte,
seine Bilder nur Dreiviertel fertig zu stellen,
er würde schnell hochmodern. Aber dann

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