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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Muschner, Georg: Ernst Liebermann - München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0364

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Georg Muschner—München:

ernst liebermann München. Dekoratives Gemälde: IV. Bild des Zyklus: »Ein Feier-
tag der Hopfenzupfer«. Ausstellung München 1908.

alle Zeit erstehen und in meisterlichem Bilde
erhalten bleiben. Man sehe, wie durchdacht
und wie künstlerisch das gelöst ist. Wir
sehen ein realistisches, malerisches Mondschein-
bild, den Gelehrten im Kreise der Schüler,
auf hoher Sternwarte und — aus der Vogel-
perspektive das treue naturalistische Bild des
alten Kollegiengebäudes, eine glückliche
fesselnde Lösung. Das Ganze in Einzelheiten
und in der Gesamtstimmung zudem noch in
eine des Gegenstands würdige romantische
Stimmung getaucht. Wieder ist das Bild, wie
des Künstlers Landschaften, klug und sinnvoll
und wie von hohem Blickpunkt aus gelöst,
und es liegt in diesem künstlerischen Einfall
etwas von kulturgeschichtlicher Größe, von
zeitlosem Gestalten.

Auch die folgenden Bilder verbinden ganz
seltsam modernes Künstlertum mit kultureller
Treffsicherheit: es sind die im Auftrage der
Ausstellung München 1908 gemalten fünf
Temperabilder, die so sinnvoll die Hopfenhalle
schmücken. Das selbstgestellte Thema für alle
lautete: ein Feiertag der Hopfenzupfer. »In

jenen wenigen Tagen, da der goldene Hopfen,
die graziöseste der Feldfrüchte, vollblühend
von den Stengeln hängt, wo der leichte Spät-
sommerwind in den fränkischen Hügeln ganze
Wellen des berauschenden Duftes aufweht und
der gelbe Blütenstaub in der Sonne schimmert,
da füllen sich die weiten Hopfengaue mit einer
sonderbaren Schar von Leuten. Aus aller
Herren Länder kommen sie gelaufen — meist
barfuß, zerlumpt, verwildert und verdächtig —
und verdingen sich zum Blad'n (Pflücken).«
So beschreibt Reinhard von Seydlitz in seinem
originellen, aber leider fast vergessenen Bicr-
brauerroman »Der Kastl vom Hollerbräu« das
Gleiche, was Liebermann uns im Bilde vor-
führt. »Ist's der Einfluß des betäubenden
Hopfens, oder ist's der reiche Lohn, das un-
gebundene Leben, die heitere leichte Arbeit
oder die allgemeine Vermischung der Tausende
von fragwürdigen Gestalten . . . genug, die
wenigen Tage herrscht ein tollhäuslerisches
Treiben unter den vollsaftigen Blütenranken . . .
Die mittelalterlichen Bettlerreichstage, die
Lumpenmärkte und Vagabundenmessen sind

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