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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 22.1908

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Muschner, Georg: Ernst Liebermann - München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7006#0365

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Ernst Liebermann—München.

ERNST LIEBERMANN MÜNCHEN.

Dekoratives Gemälde: II. Bild des Zyklus: »Ein Feier-
tag der Hopfenzupfer«. Ausstellung München 1908.

nichts dagegen gewesen.« Diesen großen
kulturellen Gesichtspunkt, den der Dichter hier
andeutet, hat auch der Künstler instinktmäßig
erfaßt. Es ist viel getreue Zeitgeschichte in
diesen Bildern. Außerdem eine vorzügliche
Anpassung an ihren Zweck. Daneben aber
natürlich des Künstlers eigenes Temperament,
sein Humor, sein Rhythmus, seine Gestaltung
und Farbenpracht. Realistisch und zugleich
künstlerisch, drastisch übermütig und zugleich
poetisch veredelt, feinsinnig in der Kompo-
sition und erfiischend kräftig fassen diese
Bilder gleichsam einmal zusammen, was Ernst
Liebermann bisher als Maler und Illustrator
für uns leistete. Und sie weisen in der flotten
Belebtheit und trefflichen Charakteristik auf
eine gute Zukunft solcher Volkskunst und in
der meisterlichen Behandlung der Figuren und
Farben auf eine gute Zukunft des Künstlers
auch als,, dekorativer Maler größeren Stils.

Zum Schluß ein prinzipielles Wort über
solche dekorative Aufträge und ihre Ausführ-
ungen: Noch finden wir hie und da eklektische
Überreste bei Künstlern, die aus Aufträgen

nichts als stilisierte Embleme und Allegorien
zu machen wissen; immer mehr aber häufen
sich die Beweise, daß unsere zeitgenössischen
Künstler die Aufträge von Architekten und
Behörden gleichsam übertrumpfen, indem sie,
statt es sich leicht zu machen, Geist und
Phantasie aufwenden und ganze Kunst liefern,
mit jenem schöpferischen Plus, das unbezahl-
bar und vom Besteller auch gar nicht er-
wartet ist. Wir haben in Wiesbaden, in
München und Darmstadt auf den jetzigen
Ausstellungen und anderwärts nunmehr so
zahlreiche Proben einer nur infolge von Auf-
trägen hervorgerufenen neuen deutschen de-
korativen Kunst, daß wir heute bereits sagen
können: der praktische Auftrag, die kommer-
zielle Bestellung, kurz, der wirtschaftliche
Faktor hat sich als ein eminenter künstlerischer
Anreger bewiesen und hat nicht im Gegen-
satz zur individuellen Schaffenslust die künst-
lerische Phantasie herabgedrückt, sondern sie
gerade durch die praktische Betätigung groß-
zügig gehoben. —

MÜNCHEN-NYMPHEN BURG. GEORG MUSCHNER.
 
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