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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 24.1909

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Breuer, Robert: Das ästhetische Verhalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7005#0033

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Das ästhetische Verhalten.

nicht anerkennen. Ebensowenig aber gilt die
Oleichsetzung von zweckmäßig »sinnlich an-
genehm« ästhetisch schön. Allerdings sehen
wir, daß das Zweckmäßige in der Regel sinn-
lich angenehm, das Sinnlich-Angenehme vor-
züglich Objekt des ästhetischen Verhaltens wird,
aber ebenso leicht, wie es möglich ist, daß das
Sinnlich-Angenehme schließlich als ästhetisch-
häßlich gewertet wird, ebensowenig ist es
ausgeschlossen, daß ein sinnlich abstoßend
wirkendes Objekt, auf das sich das ästhetische
Verhalten nur mit Widerwillen konzentriert,
schön befunden wird. Es gibt verborgene
Schönheit. In einer Moorlache kann Schön-
heit entdeckt werden.

[I i An Definitionen des Schönen mangelt es
nicht. Gott ist das Schöne oder das Gesunde,
die sinnlich erkannte Vollkommenheit (Wolff),
die unmittelbare Erscheinung der absoluten
Idee (Hegel), die Idee in der Erscheinung
(Vischer), das unwandelbar Wohlgefällige
(Fechner). Das Schöne ist die Form der
Erscheinung, die den uns angeborenen Ge-
setzen unseres Empfindungslebens entspricht.
Die Ordnung, dergemäß ein Ding entsteht
und scheint, ist sein Gesetz. Die in ihrer
reinsten Gesetzmäßigkeit sich zeigende Idee
in Erscheinung nennen wir Ideal (Lemcke).
Das Schöne zeigt uns in anschaulicher Weise
die drei »Gewalten des Weltbaus« — die Ge-
setze, die Tatsachen, die Ideale oder Werte —
geeint, die unsere Erkenntnis nicht aufeinander
zurückzuführen oder aus einem gemeinschaft-
lichen Grunde herzuleiten vermag (Lotze nach
Falckenberg).

Kann man all diesen gewiß geistreichen
Abstraktionen auch teilweise Geltung zu-
sprechen, so muß doch noch entschiedener
betont werden, daß eine normative Definition
des Schönen überhaupt ausgeschlossen ist.
Wie man nichts Absolutes über die Götter
der Religionen auszusagen vermag, sondern
nur die Gott als Ziel suchende psychische
Äußerung analysieren kann, ebenso wenig ver-
mag man das Schöne zu entschleiern. Der
Mensch muß sich mit der Kenntnis von dem
Wege begnügen, auf dem er zu dem Urteil
kommt: das ist schön, das ist häßlich. Bei
den Versuchen, das Schöne zu definieren, zeigt
es sich, wie recht Anatole France mit seiner
Skepsis hat: die Ästhetik hat keinen festen
Untergrund, sie ist ein Luftschloß.

Alles Erkennen, alles Urteilen, jede rubri-
zierende Analyse ist für den Menschen mit
einem gewissen Lustquantum verbunden. Wenn
wir sagen: dies ist langweilig, so fühlen wir
uns unbehaglich, aber während des Urteilens
und wegen desselben empfinden wir Wohl-
behagen. Diese Lust am Urteil gehört jedoch
nicht mehr dem ästhetischen Verhalten an,
wohl aber ist sie eine in der Regel eintretende
Nebenerscheinung. Die Intensität der Urteils-
lust ist abhängig von unserer analysierenden
Begabung und Übung: die Tiefe des ästheti-
schen Genusses wird bedingt durch die Leich-
tigkeit, mit der die einzelnen Phasen des
psychischen Prozesses vor sich gehen, durch
die Übung und Schärfung der Sinne als des
Primären. Der Kunst zu genießen geht voran
die Kunst des Sehens. robkrt breukk.

professor ludwig v. hofmann weimar.

Entwürfe für das Foyer des Weimarer Hoftheaters.
 
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