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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 24.1909

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Breuer, Robert: Deutsche Werkstätten für Handwerks-Kunst Dresden und München
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Robert Breuer— Wilmersdorf:

ihrer beinahe vierhundert. Da ist es offenbar,
daß solch ein Personal sich eingelebt hat,
daß es mit erfüllt ist von dem Wollen der
Leitung. Die Trinität von intelligentem,
eine neue Kultur witterndem Unternehmer,
erfindungsreichem, nie versiegendem Künstler
und gut erzogenem Arbeiterheer, die ist es,
der die Dresdner Werkstätten ihren Ruf und
Einfluß verdanken.

Der Künstler, der am innigsten mit den
Dresdner Werkstätten verbunden, ist Richard
Riemerschmid. Das ist bekannt genug, als
daß es notwendig wäre zu zeigen, wie dieses
prachtvollen Mannes kühle Sachlichkeit und
herzfreundliche Hingabe an die heilige Auf-
gabe, das Heim der Menschen zu bauen, den
Typus des Dresdner Möbels bestimmt hat.
Riemerschmid hat einen bewundernswerten
Instinkt für das Wohnbedürfnis, für den be-
rechtigten Komfort arbeitsamer Bürger; er
gibt allem, was er schafft, so viel Physiologie,
daß es zu einem neuen, bisher noch fehlen-
dem Glied des Menschen bestimmt zu sein
scheint. Seine Stühle umfangen, seine Schränke
schließen ein, der geringste Bestandteil an
einem jeglichen Stück hat nicht nur für dieses,
auch für den Benutzenden eine Funktion zu
verrichten. Riemerschmid zwingt dem Menschen
nie etwas auf, wonach dieser nicht aus letztem
Sehnen selbst verlangte; er zwängte kein Material,
weder das Holz, noch das Metall, noch die
textile Faser, in Formen, die nicht schon
latent darin geschlummert. — Die Abbildungen,
die heute hier gezeigt werden, geben zunächst
ein Zimmer Maschinenmöbel. Man weiß,
daß es sich dabei um einen Massenartikel
handelt, allerdings im besten Sinne dieses Be-
griffes. Es sollen möglichst billige Möbel
möglichst gut und geschmackvoll hergestellt
werden. Dazu ist notwendig, daß dies in
vielen Exemplaren geschieht, daß die Maschine
zuschneidet, hobelt, fräst, bohrt. Nur die
Montage verbleibt der Hand, muß aber präzis
und schnell erledigt werden können. Diese
aus ökonomischen Gründen notwendige Tech-
nik fordert schlichte Formen; die Maschine
darf keine unnützen Schwierigkeiten, keine
überflüssigen Widerstände finden. Glatt heißt
aber nicht formlos; die Maschine schneidet
jedes Verhältnis, die Schönheit des Ma-
schinenmöbels ruht in seinen Proportionen.
Niemand hat das besser begriffen als Riemer-
schmid, Dutzende von Zimmern beweisen dies,
auch das hier abgebildete. Haben diese Betten
mit ihrer reizvollen Gliederung und ihrem
amüsanten Stabwerk auch nur eine Spur von

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jener berüchtigten Billigkeit, jener elenden
gefühlsrohen Schablone, die weithin den Fluch
aller Massenware bildet? Sie sind aus Eiche
hergestellt und kosten (das komplette Zimmer)
555 Mk. Ein wenig teurer ist das zweite
Schlafzimmer; aus Fichte, weiß lackiert,
kostet es 760 Mk., gestrichen 730 Mk.
Die Betten sind diesmal metallen, sie sind
die knappste Formel einer solchen Kon-
struktion. Die Beschläge an den Schrank-
türen sind (wenn es auch schlecht klingt):
der ganze Riemerschmid. Sie greifen von
der Wand auf die Tür und machen das Gelenk
deutlich fühlbar (freilich nicht in der Abbildung),
sie sind zugleich ein redliches und zierliches
Stück Schmiedearbeit. Das Herrenzimmer
muß man mit irgend einem jener Monstren
vergleichen, die bisher selbst in anständigen
Familien hergerichtet wurden. Ein Herren-
zimmer muß urwüchsig und markig sein,
sagen die Leute; wie viele, selbst unsere
Modernen, verwechseln das Herrenzimmer mit
einem Arsenal, einem Apparat falscher Würde.
Manche machen daraus auch ein Boudoir.
Riemerschmid trifft aufs Haar den richtigen
Ton; an diesem Schreibtisch zu sitzen, braucht
sich niemand zu schämen, braucht sich darauf
auch niemand etwas einzubilden. — Wenn
Riemerschmid nichts anderes als Möbel ge-
macht hätte, so hätte er schon viel getan;
aber er tat mehr. Es gibt wohl kaum ein
Gebiet der Inneneinrichtung, kaum ein hier
angewendetes technisches Verfahren, das durch
Riemerschmid nicht neue Kräfte empfangen
hätte; er schuf Tapeten, Linoleum, Fenster-
bekleidungen , Möbelbezüge, Beleuchtungs-
körper, Keramik und Glas aller Art. Wir
bekommen diesmal drei Decken in Schnur-
stickerei, und eine bedruckte Decke zu sehen.
Es sind dies schöne, große Stücke besten
Leinens (im eignen Betriebe der Werkstätten
gewebt), darauf wurde nach vorschabloniertem
Muster eine Schnur festgenäht, sie bleibt
unter den Stichen der Maschine verborgen,
läßt diese aber voll und plastisch erscheinen.

Neben Riemerschmid haben die Dresdner
Werkstätten sich noch manchen anderen
Künstler zum Wegzeiger gesetzt. Deren einer
ist Bertsch; auch er arbeitet mit wenigen
Mitteln, nutzt sie aber zu vornehmeren und
mehr eleganten Absichten. Das abgebildete
Zimmer ist aus Birkenholz; dessen warmes
Strahlen eint sich prächtig mit dem kalten
Schein der Kacheln, die in die Wände des
Erkers gesenkt sind. — Noch flüssiger in
seinen Formen, noch prächtiger in seinen
 
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