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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Michel, Wilhelm: Neue Gemälde von Carl Schwalbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0027

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Nette Gemälde von Carl Schwalbach.

C. SCHWALB ACH.
» FRAUENKOPF«
BESITZER A. K.
DARMSTADT.

hafter Schwung der Empfindung bei ausgespro-
chen nervösem Habitus hervortreten. Es geht
bei ihm vielleicht nichts in beträchtliche Tiefe.
Gedanke, Empfindung, Ausdruck halten sich, bei
aller schwungvollen Sicherheit des Auftretens,
meist im Bezirk eines sehr gepflegten Ungefähr,
in dem es letztes, ernstestes Müssen nicht gibt.

Daneben aber wird an vielen Punkten sicht-
bar, was diesem Künstler immer wieder Auf-
merksamkeit sichert: das Bemühen, die Tragik
seiner Situation auf einem künstlerischen Wege
ringend zu lösen. Es ist diese Arbeit, die
Schwalbach bis heute verhindert hat, stehen
zu bleiben, die ihm hie und da so Bemerkens-
wertes gelingen ließ wie jenes Gemälde „Früh-
ling", das eine Zierde der Darmstädter Aus-
stellung 1918 bildete: genießerisch, preziösund
voll üppigstem Materialreiz, aber auch ein Werk
von hoher Kultur und seherischem Schwung.

Das Bild ist kennzeichnend für die dritte
Stufe in Schwalbachs Schaffen, auf der, bei
durchgehender Höherstimmung der Sprache,
altmeisterliche Reminiszenzen von allen Seiten
in seine Kunst hineinspielen. Um die Richtungen
anzudeuten, woher diese Einflüsse kommen,
müßten große Namen genannt werden: Früh-
italiener, von deren Kargheit die rahmende

Landschaft bei Schwalbach beeinflußt scheint;
Lionardo, an dessen Fülle und Weichheit sich
die Behandlung mancher Köpfe orientiert haben
könnte. Die heimliche Renaissance-Stilisierung,
zu der sich Schwalbachs menschliches und
künstlerisches Wesen geformt hat, tritt hier
formelhaft hervor. Sie zeigt, von einer anderen
Seite her, wie fremd letzten Endes dieser
Künstler in seiner Zeit steht, wie weit die von
ihm erklommene, edel-stille Höhe abliegt von
den sturmumflogenen Gipfeln, auf denen das
Entscheidende der modernsten Kunst geschieht.

Die Einwände, die hier gegen einen an Können
reichen und durch Gaben bevorzugten Künstler
zu erheben waren, wollen ihm nicht etwa un-
besehen zur Schuld machen, nach vollem Glok-
kenklang der Harmonie gestrebt zu haben. Es
mußte nur festgestellt werden, daß Schwal-
bach diesen Wohllaut in einer vom künstleri-
schen Zwang der Zeit nicht gewollten Richtung
gesucht hat. Der Augenblick ist in der Kunst
allmächtig. Der Schaffenstrieb ist ewig; ewig
sind vielleicht auch die Ziele der Kunst. Aber
das hindert nicht, daß sie immer nur von der
Kraft lebt, die der Moment ihr zuführt, daß
sie von der starken Sonne lebt, die einen
Arbeitstag lang über ihr dahinschwingt.

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