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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Kirchner, Joachim: Bruno Krauskopf, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0260

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bruno krau:

Wer es einmal später unternehmen sollte,
die Kunst- und Geistesgeschichte im
Zeitalter des Weltkrieges und der Revolution
einer dem Parteiklüngel fernstehenden, objek-
tiven Würdigung zu unterziehen, dem wird es
vielleicht möglich werden, aus der Fülle kon-
ventioneller Geschmacklosigkeiten und würde-
loser Modetorheiten eine Reihe bemerkens-
werter Erscheinungen herauszuschälen, die
heutzutage dem Verständnis und der Gunst des
Publikums im allgemeinen noch fern stehen,
die aber vielleicht später von der historischen
Kritik, wenn auch nicht als Erfüller eines neuen
Ideals, so doch als seine Vorboten und Pro-
pheten gelten dürfen. Die große Umwälzung,
deren Zeuge die heutige Generation ist, und
die sich bisher in einer für Deutschland sehr
bezeichnenden Weise am nachdrücklichsten auf
dem Gebiete der Literatur und der schönen
Künste zu vollziehen scheint, trägt selbst wohl
noch zuviel Explosivstoff und gärende, nach
Gestaltung drängende Keime in sich, als daß
aus ihrem Schöße schon jetzt die Meister der
neuen Gesinnung zu erwarten wären. Wer in-

COPF—BERLIN.

des für die Sturm- und Drangperiode, in der
wir heute ohne Zweifel stehen, den Willen zur
Einfühlung in die künstlerischen Tendenzen
einer neuen geistigen Bewegung mitbringt, der
wird sich möglicher Weise doch angeregt und
bereichert fühlen und infolge der Menge starker
Erlebnisse für die künftige Entwicklung unserer
Kunst gute Hoffnungen hegen können. Er wird
vielleicht sogar den Wunsch aussprechen, daß
die kommende Epoche einer neuen Geistigkeit
von jenen Jungen beherrscht wird, deren talent-
volles Schaffen bei rechter Kultivierung ihrer
Fähigkeiten die Kraft zu meisterlichen Arbeiten
verheißt. Jedenfalls ist ihre Geistigkeit als
gutes Omen zu betrachten; sie läßt uns die
parvenuhafte Gesinnung eines selbstzufriede-
nen, protzenhaften Zeitalters vergessen und
gibt der Seele transzendente Schwingungen,
die in die Gedanken- und Phantasiewelt un-
serer jungen Künstler hinüberleiten.

Jenen jungen Malern, die ohne Konzessionen
an den verwässerten Modegeschmack und ohne
Anlehnung an traditionelle Kunstströmungen
mit Zielbewußtsein einsam ihrer Wege gehen,
 
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