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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Beer-Walbrunn, Ida: Die Akademien der Bildenden Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0153

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DIE AKADEMIEN DER BILDENDEN KÜNSTE.

Wochen und Tage liegen hinter uns, die
nicht nur auf der politischen Bühne der
Weltereignisse, sondern auch in unsern Kunst-
zuständen alles aufgerüttelt und in Bewegung
gebracht haben, was von Dauer und ruhigem
Bestand erschien. Vor allem ist die Frage der
Erziehung zum Künstler in Fluß geraten
und ruft die leidenschaftlichsten Erörterungen
hervor. Meinung steht gegen Meinung, Junge
gegen Alte. Weltanschauungskämpfe werden
mit Getöse auf den großen Versammlungen, in
den Räten der bildenden Künstler und auf den
Gruppenzusammenkünften mit einer Heftigkeit
und einer Maßlosigkeit geführt, die nur durch
die revolutionäre Gärung unserer Zeit begreif-
lich wird. Doch muß man sich klar werden —
eine Täuschung darüber könnte die Ursache zu
einer dauernden machen — daß diese Heftig-
keit und Maßlosigkeit der Jungen nur der Aus-
fluß einer maßlos tiefgehenden Erbitterung und
Enttäuschung ist über das bisherige staatliche
System der Erziehung des bildenden Künstlers,
das fast jeder von ihnen hat erleiden müssen.

Immer wieder wird auf Grund der Erfahrung
Abschaffung, zum mindesten radikale Umge-
staltung der Akademien der bildenden Künste
gefordert. Immer wieder wird einmütig mit
größtem Nachdruck die Behauptung aufgestellt,
daß die staatÜchen Anstalten keine Institute
zur Förderung der Kunst und der Künstler
seien. Statt daß sie erleichterten und ebneten,
erschwerten und versperrten sie die Wege zur
Kunst. Ein Witziger verstieg sich sogar zu der
paradoxen Bemerkung, daß gerade hier die
Verdienste der Akademien und die Notwen-
digkeit der Erhaltung ihrer bisherigen Form
läge, denn der Künstler entwickle sich zur
Größe erst an den Widerständen, die sich ihm
entgegentürmten und wer sagen könne, daß er
zum wahren Künstler geworden sei trotz seiner
akademischen Erziehung, der habe den vollgül-
tigen Beweis seiner Künstlerschaft erbracht.

Aber es ist klar, daß der Staat seine Millio-
nen zumal heute besser verwenden kann, als
nur zur Erschwerung und Verhinderung der
Kunst. Von unserer Zeit erwarten die Künstler
endgültige und restlose Beantwortung der Frage
nach der Erneuerung und Umgestaltung der
staatlichen Erziehung. Und es ist Überzeugung
Aller geworden, daß diese Frage nicht mehr
von Ministerien und Behörden, „künstlerischen
Bevormundungskommissionen", wie einer un-

serer größten Künstler schon 1892 sie benannte,
entschieden werden darf, sondern nur von den
Künstlern selber. Die Künstler müssen im
Wirrwarr der Meinungen, dem Lärm der Kämpfe
heute eine Lösung finden, die dem hohen
Zwecke, schöpferisch veranlagten jungen Men-
schen sicheren Grund unter den Füßen sowie
eine methodische Entwicklung ihrer künstleri-
schen Fähigkeiten zu gewährleisten, vollkom-
men entspricht. Über das Ziel sind sich Alle
einig, über die Wege, die zum Ziel führen, die
Wenigsten. Ob die radikale Abschaffung der
Akademien solch ein Weg zum Ziele ist, möchte
man bei aller Sympathie für den leidenschaft-
lichen Eifer der Jugend, die nicht halbe Arbeit
will, sondern etwas Neues, etwas Anderes,
billig bezweifeln. Ohne einen festgefügten do-
minierenden Mittelpunkt, der Vorbild und rich-
tunggebende Norm ist, würde ein Chaos dilet-
tantischer Erzieherei entstehen, das nur un-
endlichen Schaden und unendliche Verwirrung
anrichtete, bis dann doch in mühseligster Ar-
beit aus den Trümmern irgend ein Bau wieder-
errichtet werden müßte.

So bleibt die Umgestaltung als einziger Weg,
freilich nicht ein paar Reformen, nicht ein Kom-
promiß der mittleren Linie, sondern eine Um-
gestaltung von Grund aus, die organisch zum
Wesentlichen hin gebildet ohne f alscheRücksicht
auf Personen und eingewurzelte Zustände sich
durchsetzt. Es müßte der stürmisch fordernden
Jugend ein Führer vorangehen, der die Auto-
rität und Erfahrung eines großen Künstlertums
besässe. Der die Nöte der Jugend fühlt und
begreift, ihnen antwortet und sie zur gemein-
samen Verwirklichung der großen Pläne auf-
ruft. Der Glaube erschien nicht unbillig, daß
unter den jetzt Lebenden die Persönlichkeiten
aufständen und den Ruf zur gemeinsamen Ar-
beit ergehen ließen. Aber die Wochen vergehen,
niemand von den Älteren antwortet den Jungen.

Und jener große Künstler, der die künstleri-
schen Bevormundungskommissionen so ener-
gisch bekämpft hatte, dem die größte revolu-
tionäre Forderung unserer Tage, daß die Künst-
ler in allen Angelegenheiten ihrer Kunst souverän
entscheiden sollen, immer zu allen Zeiten sei-
nes Lebens tiefe Überzeugung gewesen war,
Trübner, der würde heute, wenn er noch
lebte, die Genugtuung empfinden können, daß
die vorwärts stürmende Zeit ihm endlich und
durchaus recht in allen seinen Anschauungen
 
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