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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Kraft, Leonhard: Materialismus und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0076

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PROFESSOR BRUNO PAUL.

»FRÜHSTÜCKS-ZIMMER«

MATERIALISMUS UND KUNST.

Kunst und Materialismus sind Todfeinde.
Das muß in diesen drangvollen Tagen, da
man seltsamer Weise viel von Kunstpflege
redet und doch immer tiefer in das materiali-
stische Netz verstrickt wird, mit aller Schärfe
wiederholt werden. Nur ist der würgende
Vampyr nicht plötzlich von gestern auf heute
aufgetreten. Schon lange vor dem Kriege geriet
unsere ganze kulturelle Entwicklung trotz alles
scheinbaren Aufstiegs unter diesen verhängnis-
vollen Einfluß, der in der Kriegszeit schließlich
seine höchsten Triumphe feierte und vielleicht
die tiefste Ursache für den Sturz des deutschen
Volkes wurde. Jetzt hat sich jäh ein Abgrund
geöffnet, in dem unsere ganze Kultur zu ver-
sinken droht, wenn dem deutschen Volke nicht
noch einmal in letzter Stunde das Heil von
seinen Dichtern und Denkern kommt.

Rein äußerlich betrachtet wandelt der Mate-
rialismus ja oft im kunstpflegenden und kultur-
fördernden Gewände. Aber er erniedrigt alles.
Die Kultur wird unter seinen Händen im gün-
stigsten Falle zur Zivilisation. Die Kunst ist

ihm nur Dienerin, die äußeres Genießen erhöhen
soll. Damit nimmt er ihr das Beste, er mordet
ihre Seele und macht sie zu einem prunkenden
Überwurfe. Ihrer höchsten Aufgabe, den Men-
schen zu veredeln, wird sie entfremdet und
schließlich vergeht sie im wesenlosen Scheine,
nur noch ein Mummenschanz des Lebens. Darum
ist der Materialismus der Todfeind wahrer Kunst.

Steht diese deshalb schon in eigner Sache
im gegnerischen Lager, so wächst ihr aber neben
ihrer passiven Rolle eine bedeutungsvollere
aktive in dem Kampfe zweier Weltanschauungen
zu. Wo das Verstehen wahrer Kunst geweckt
und gehoben werden kann, bröckelt das mate-
rialistische Herrschaftsbereich ab. Und bei sehr
vielen Menschen erscheint die Kunst als eine
um so wirksamere Waffe gegen den geistes-
verödenden Nützlichkeitsglauben, als sie nicht
ans Gemüt allein, sondern auch an die Sinne
rührt. — Die letzten Jahrzehnte waren erfüllt
von Kunstgeschrei; allenthalben wollte man
Kultur und Kunst heben und ihre Erträgnisse
für das Volksganze fruchtbarmachen. Überblickt
 
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