Materialismus und Kunst.
PROFESSOR BRUNO PAUL.
»GÄRTNER WOHNUNG«
wirklich ringen zu müssen, schläft, und alle
Versuche, die um dieses Dornröschen von der
Gleichgültigkeit, dem Unverstände und dem
niedrigen Sinne, den Herolden desMaterialismus,
geflochtene Dornenhecke zu zerreißen, konnten
sich nicht zu einem Roden, das der Pflugschar
den Boden bereitet hätte, entwickeln. Und
darum blieb der Wunsch nach einer allgemeinen
Geschmackskultur eben ein unerfülltes Sehnen.
Wer dem gegenüber optimistischer denkt,
der schaue zurück auf die jüngst verflossenen
Jahre. Hat das gewaltige seelische Erleben
des deutschen Volkes, das unverkennbar die
Fahne des Idealismus vorübergehend hoch-
rauschen ließ, einen dauernden kulturellen und
künstlerischen Niederschlag gefunden? Im
Sande verdorrt ist jede Spur. Als das Völker-
ringen zum Geschäft geworden war, ging alles
in dieser Hochflut unter und heute muß die
bange Frage aufgeworfen werden, ob die unter
dem äußeren Drucke angestauten trüben Wasser
nicht auf lange hinaus die mühsam gelegte Saat
der letzten Jahrzehnte vernichten. Gewiß nicht
auf immer. Denn den Götterfunken in der Men-
schenbrust auszulöschen, vermag der stärkste
materialistische Sturmwind nicht. Es war alles
andere als Freude, was der die Kunstent-
wickelung Beobachtende empfand, wenn er
daheim jene Hochflut von Kriegsartikeln in
einer Wiederkehr der schlimmsten Hausgreuel
über sich ergehen lassen mußte, wenn er draußen
oft so vielem Pomp gegenüberstand, der sich
als Kunst auf Heldenfriedhöfen in Feindesland
gebärdete. Allem zum Trotz aber regt es sich
nach der letzten schlimmen Zeit selbst in diesen
bösen Tagen, um dem sein Recht werden zu
lassen, was manchem allein das Leben noch
lebenswert erscheinen ließ.
Der Waffenlärm ruht; allenthalben erklingt
der Ruf nach einer geistigen Erneuerung des
ganzen Volkes; da man das Ziel in der Be-
kämpfung des Materialismus erkannt hat, muß
der Kunst als einem guten Helfer im Streit auch
ihr Recht werden. Als Träger ihrer Kampf-
kraft aber erscheint der Ring der Künstler und
Kunstfreunde. Nur auf dem Zusammenschlüsse
aller von ehrlichem Wollen für die Pflege des
Wahren, Guten und Schönen Erfüllten be-
ruht das Heil der Kunst. Der allein kann ihr
die Wege frei machen, damit sie erfolgreich
zur geistigen Gesundung des Volkes zu wirken
vermag..... ob.. Leonhard kraft—darmstadt.
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PROFESSOR BRUNO PAUL.
»GÄRTNER WOHNUNG«
wirklich ringen zu müssen, schläft, und alle
Versuche, die um dieses Dornröschen von der
Gleichgültigkeit, dem Unverstände und dem
niedrigen Sinne, den Herolden desMaterialismus,
geflochtene Dornenhecke zu zerreißen, konnten
sich nicht zu einem Roden, das der Pflugschar
den Boden bereitet hätte, entwickeln. Und
darum blieb der Wunsch nach einer allgemeinen
Geschmackskultur eben ein unerfülltes Sehnen.
Wer dem gegenüber optimistischer denkt,
der schaue zurück auf die jüngst verflossenen
Jahre. Hat das gewaltige seelische Erleben
des deutschen Volkes, das unverkennbar die
Fahne des Idealismus vorübergehend hoch-
rauschen ließ, einen dauernden kulturellen und
künstlerischen Niederschlag gefunden? Im
Sande verdorrt ist jede Spur. Als das Völker-
ringen zum Geschäft geworden war, ging alles
in dieser Hochflut unter und heute muß die
bange Frage aufgeworfen werden, ob die unter
dem äußeren Drucke angestauten trüben Wasser
nicht auf lange hinaus die mühsam gelegte Saat
der letzten Jahrzehnte vernichten. Gewiß nicht
auf immer. Denn den Götterfunken in der Men-
schenbrust auszulöschen, vermag der stärkste
materialistische Sturmwind nicht. Es war alles
andere als Freude, was der die Kunstent-
wickelung Beobachtende empfand, wenn er
daheim jene Hochflut von Kriegsartikeln in
einer Wiederkehr der schlimmsten Hausgreuel
über sich ergehen lassen mußte, wenn er draußen
oft so vielem Pomp gegenüberstand, der sich
als Kunst auf Heldenfriedhöfen in Feindesland
gebärdete. Allem zum Trotz aber regt es sich
nach der letzten schlimmen Zeit selbst in diesen
bösen Tagen, um dem sein Recht werden zu
lassen, was manchem allein das Leben noch
lebenswert erscheinen ließ.
Der Waffenlärm ruht; allenthalben erklingt
der Ruf nach einer geistigen Erneuerung des
ganzen Volkes; da man das Ziel in der Be-
kämpfung des Materialismus erkannt hat, muß
der Kunst als einem guten Helfer im Streit auch
ihr Recht werden. Als Träger ihrer Kampf-
kraft aber erscheint der Ring der Künstler und
Kunstfreunde. Nur auf dem Zusammenschlüsse
aller von ehrlichem Wollen für die Pflege des
Wahren, Guten und Schönen Erfüllten be-
ruht das Heil der Kunst. Der allein kann ihr
die Wege frei machen, damit sie erfolgreich
zur geistigen Gesundung des Volkes zu wirken
vermag..... ob.. Leonhard kraft—darmstadt.
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