L. L. WULF-
BERLIN.
>BILDNIS-BÜSTE
IN BRONZE«
ARBEITEN DER BERLINER BILDHAUERIN L. L.WULF.
VON DR. MAX OSEORN.
Der alte Lehrsatz, daß Frauen nicht für die
Plastik taugen, ist längst zur Unwahrheit
geworden. Was wollte man nicht alles mit ihm
beweisen! Die geistreichsten Beiträge über die
Psyche der Frau wie das Wesen der Bildner ei
ließen sich daraus gewinnen. Sie stimmen alle
nicht mehr. Dies aber ist keine Frage: daß die
wachsende Zahl der Bildhauerinnen in tiefem
Zusammenhang mit der gesamten Entwicklung
steht, die das Frauentum unserer Epoche durch-
lebt. Ohne das resolute Erfassen aller Probleme
und Lebensbetätigungen, ohne die Loslösung
aus allen Vorurteilen und Gebundenheiten der
verschiedensten Art hätten die Frauen niemals
in solchem Umfang die Entschlossenheit und
Kraft von Sinn und Hand entfalten können, die
für plastisches Formen Voraussetzung sind.
Die Berliner Bildhauerin L. L. Wulf, von
der hier Bericht gegeben wird, bewährt diese
Eigenschaften in Arbeiten von ausgezeichneter
Haltung. Niemand würde vor ihren Porträt-
büsten das Geschlecht des Künstlers erraten.
Ein reifes, durchaus männliches Formgefühl
spricht hier und eine klare Ruhe des beseelten
Vortrags. Ein gut übersehender Blick faßt die
individuelle Gestaltung der Köpfe und fügt die
charakteristischen Merkmale zu Nachbildungen
zusammen, denen man die äußere Ähnlichkeit
anmerkt, ohne die Originale zu kennen. Aber
zugleich wird der Formgehalt des Objekts auf
seine Grundgesetze untersucht und der Reich-
tum der Einzelheiten vereinfacht. In der Art,
wie diese Doppelwirkung angestrebt wird, er-
innert Frau Wulf oft an neuere Belgier. —
Juni 1913. S
BERLIN.
>BILDNIS-BÜSTE
IN BRONZE«
ARBEITEN DER BERLINER BILDHAUERIN L. L.WULF.
VON DR. MAX OSEORN.
Der alte Lehrsatz, daß Frauen nicht für die
Plastik taugen, ist längst zur Unwahrheit
geworden. Was wollte man nicht alles mit ihm
beweisen! Die geistreichsten Beiträge über die
Psyche der Frau wie das Wesen der Bildner ei
ließen sich daraus gewinnen. Sie stimmen alle
nicht mehr. Dies aber ist keine Frage: daß die
wachsende Zahl der Bildhauerinnen in tiefem
Zusammenhang mit der gesamten Entwicklung
steht, die das Frauentum unserer Epoche durch-
lebt. Ohne das resolute Erfassen aller Probleme
und Lebensbetätigungen, ohne die Loslösung
aus allen Vorurteilen und Gebundenheiten der
verschiedensten Art hätten die Frauen niemals
in solchem Umfang die Entschlossenheit und
Kraft von Sinn und Hand entfalten können, die
für plastisches Formen Voraussetzung sind.
Die Berliner Bildhauerin L. L. Wulf, von
der hier Bericht gegeben wird, bewährt diese
Eigenschaften in Arbeiten von ausgezeichneter
Haltung. Niemand würde vor ihren Porträt-
büsten das Geschlecht des Künstlers erraten.
Ein reifes, durchaus männliches Formgefühl
spricht hier und eine klare Ruhe des beseelten
Vortrags. Ein gut übersehender Blick faßt die
individuelle Gestaltung der Köpfe und fügt die
charakteristischen Merkmale zu Nachbildungen
zusammen, denen man die äußere Ähnlichkeit
anmerkt, ohne die Originale zu kennen. Aber
zugleich wird der Formgehalt des Objekts auf
seine Grundgesetze untersucht und der Reich-
tum der Einzelheiten vereinfacht. In der Art,
wie diese Doppelwirkung angestrebt wird, er-
innert Frau Wulf oft an neuere Belgier. —
Juni 1913. S