Etappen einer Überwindung.
GRAF V. KALCKKEUTH—EDDELSEN.
GEMÄLDE •BLICK AUF DAS DORF«
Natur studieren ließe. Dieser würde die Natur
bilden, wie er sie findet: als ein Italiener würde
er Figuren malen, vielleicht wie Caravaggio;
als ein Niederländer, wenn er glücklich ist, wie
Jacob Jordaens; als ein Franzose, wie Stella:
jener aber würde die Natur bilden, wie sie es
verlangt, und Figuren malen, wie Raffael".*)
Als Zwischenglied nun Heinse: stark unter
dem Drucke Winckelmannischer Autorität, den
Griechen und ihrer Kunst nachblickend wie
*) Daß ein so großer Kenner der Kunst wie Winckel-
mann nicht unempfindlich war gegen das Böse, das wir
heute mit dem Begriff »Nachahmung« verbinden, versteht
sich füglich von selbst. Er prägt dieses Empfinden aus
in seiner Unterscheidung zwischen Nachmachen und
Nachahmen: »Unter jenem verstehe ich die knechtische
Folge, in diesem aber kann das Nachgeahmte, wenn es
mit Vernunft geführt wird, gleichsam eine andere Natur
annehmen und etwas Eigenes werden.« (»Erinnerung
über die Betrachtung der alten Kunst.«) Aus gleichem
Gefühl zitiert er zustimmend die Mahnung des Michel-
angelo: »Derjenige, welcher beständig andern nachgeht,
wird niemals vorauskommen, und welcher aus sich selbst
nichts Gutes zu machen weiß, wird sich auch der Sachen
von andern nicht gut bedienen.«.............
einem unwiderruflichen Sonnenuntergang, ganz
noch von der Idee des objektiven und zu objek-
tivierenden Schönen ausgehend, durchdrungen
von der Anschauung, daß die Griechen das
Letzte an Verwirklichung dieses Schönen ge-
leistet haben, dadurch gelegentlich zu Äuße-
rungen getrieben, in denen modern anmutender
futuristischer Furor aufzuckt: „... wobey nichts
bessers geschehen könnte, als daß der große
Komet käme, das alte Weib Erde mit sich fort-
risse in eine neue Sonnenbahn, wo sie unter-
wegs verbrannt würde, und wieder neu aus
ihrer Asche hervorgrünte und blühte, und wieder
voll jugendlichen Getümmels wäre". In un-
mittelbarem Anschluß an diese Stelle aber
spricht Heinse die Erkenntnis aus, daß jedes
Volk, jedes Klima seine eigentümliche Schön-
heit habe, daß jeder für d a s Volk arbeiten müsse,
worunter ihn sein Schicksal geworfen, gipfelnd
in dem Ausruf, der die Bedrückung durch Vor-
bild und Ziel mit freier Geberde wegwirft:
„Was geht uns Vorwelt und Nachwelt an?"
Ein Jahr später schreibt er an Gleim, abend-
GRAF V. KALCKKEUTH—EDDELSEN.
GEMÄLDE •BLICK AUF DAS DORF«
Natur studieren ließe. Dieser würde die Natur
bilden, wie er sie findet: als ein Italiener würde
er Figuren malen, vielleicht wie Caravaggio;
als ein Niederländer, wenn er glücklich ist, wie
Jacob Jordaens; als ein Franzose, wie Stella:
jener aber würde die Natur bilden, wie sie es
verlangt, und Figuren malen, wie Raffael".*)
Als Zwischenglied nun Heinse: stark unter
dem Drucke Winckelmannischer Autorität, den
Griechen und ihrer Kunst nachblickend wie
*) Daß ein so großer Kenner der Kunst wie Winckel-
mann nicht unempfindlich war gegen das Böse, das wir
heute mit dem Begriff »Nachahmung« verbinden, versteht
sich füglich von selbst. Er prägt dieses Empfinden aus
in seiner Unterscheidung zwischen Nachmachen und
Nachahmen: »Unter jenem verstehe ich die knechtische
Folge, in diesem aber kann das Nachgeahmte, wenn es
mit Vernunft geführt wird, gleichsam eine andere Natur
annehmen und etwas Eigenes werden.« (»Erinnerung
über die Betrachtung der alten Kunst.«) Aus gleichem
Gefühl zitiert er zustimmend die Mahnung des Michel-
angelo: »Derjenige, welcher beständig andern nachgeht,
wird niemals vorauskommen, und welcher aus sich selbst
nichts Gutes zu machen weiß, wird sich auch der Sachen
von andern nicht gut bedienen.«.............
einem unwiderruflichen Sonnenuntergang, ganz
noch von der Idee des objektiven und zu objek-
tivierenden Schönen ausgehend, durchdrungen
von der Anschauung, daß die Griechen das
Letzte an Verwirklichung dieses Schönen ge-
leistet haben, dadurch gelegentlich zu Äuße-
rungen getrieben, in denen modern anmutender
futuristischer Furor aufzuckt: „... wobey nichts
bessers geschehen könnte, als daß der große
Komet käme, das alte Weib Erde mit sich fort-
risse in eine neue Sonnenbahn, wo sie unter-
wegs verbrannt würde, und wieder neu aus
ihrer Asche hervorgrünte und blühte, und wieder
voll jugendlichen Getümmels wäre". In un-
mittelbarem Anschluß an diese Stelle aber
spricht Heinse die Erkenntnis aus, daß jedes
Volk, jedes Klima seine eigentümliche Schön-
heit habe, daß jeder für d a s Volk arbeiten müsse,
worunter ihn sein Schicksal geworfen, gipfelnd
in dem Ausruf, der die Bedrückung durch Vor-
bild und Ziel mit freier Geberde wegwirft:
„Was geht uns Vorwelt und Nachwelt an?"
Ein Jahr später schreibt er an Gleim, abend-