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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Düssel, Karl Konrad: Alfred Lörcher, Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0283

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Alfred Lörcher- Stuttgart.

alfred lörcher—stuttgart.

weisen könnten und etwa nur gegenständlich
geboten wären. Bei Lörcher herrscht durchaus
der Primat der plastischen Ausdrucksmittel.
So erhalten diese Weike formale Spannung,
Stil und Stabilität. Sie sind sehr stark und
konsequent vereinfacht in der
Gesamtform ohne unterstrichen
primitiv zu sein. Das Gegen-
ständliche, das menschlich Kör-
perhafte ist nicht zu Gunsten
des statischen und dynamischen
Ausdrucks radikal umgedeutet,
aber stets und überall eingeord-
net in den Rhythmus der ge-
schlossenen Form. In schönen,
schwellenden Kurven runden
sich die Linien zu jener vollen,
klingenden Räumlichkeit, ohne
welche gute Plastik nicht zu
denken ist. Die Formen sind
weich und zärtlich geglättet, aber
sie sind nicht weichlich und aus-
druckslos glatt. Der Ausdruck
selbst verkündet eine gelassene,
beruhigte Vitalität. Vorallemdie
„Liegende weibliche Figur" hat
den tiefen, ruhigen Atem
eines reifen Sommertages.
Dieses Ausdrucksmoment
friedlichen Beharrens, das
den echten Plastiker immer
wieder neu und anziehend
dünkt, erscheint in der
„Sitzenden weiblichen Fi-
gur" stärker aktiviert. Die
beglückende, vegetative
Ruhe des Schlafes wird nun
zum dämmernden Erwa-
chen. Aber der Kreis des
in sich beschlossenen Frie-
dens wird nicht gestört. Die
Heimat der Seele ist nicht
gekündigt, an den „Schlaf

alfred lörcher—stuttgart.

»medaillen und plaketten«

der Welt" wird nicht gerührt. Auch in der
sitzenden weiblichen Figur ergänzen sich Ruhe
des Ausdrucks und formale Geschlossenheit zu
einer edlen Harmonie. — Es ist klar, daß ein
Plastiker von der künstlerischen Haltung Lör-
chers in seinen Bildnisplasti-
ken nicht den Affekt und die
Zustände seelischer Erregungen
sucht, sondern innere Beruhigt-
heit. Trotzdem sind Lörchers
Bildnisbüsten weder kühl noch
temperamentlos. Sie besitzen
einen charakteristischen Aus-
druck v on schönerBeredtheit und
sie gestalten, ohne kleinlichen
Realismus, ein Individuelles in-
nerhalb eines sicheren und be-
stimmten plastischen Stils. —
Ein überaus reizvolles Gebiet in
Lörchers Kunst bildet die Pla-
kette. Hier zeigt sich deutlich,
wie Lörchers Formgefühl seine
Gesetze immer vom künstleri-
schen Objekt selbst empfängt.
Wenn er um seine Rundplasti-
ken eine schöne volle Räumlich-
keit schafft, so ist er bei
der Plakette stets darauf
bedacht, die Fläche'in gu-
ten Verhältnissen rhyth-
misch zu gliedern und mit
Harmonie der Linien zu
erfüllen. Aber das Gesetz
der plastisch modifizierten
Fläche ist stets gewahrt. So
zeigt sich in diesen sehr
liebenswürdigen Gaben ei-
ner meisterhaft beherrsch-
ten Kleinkunst auch das
noble Stilgefühl, dem Lör-
chers Werkliebe offenbar
stets die letzten Entscheid-
in bronze. ungen überläßt, k. k. düssel.
 
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