Sommer-Ausstellung der Künstler- Vereinigung Dresden.
tümlich fließenden Licht, das immer an das
Leuchten farbiger Glasfenster erinnert. Auch in
der figürlichen Komposition, in der die Gebärde
der liegenden Frau sehr fein wirkt, ist diese
seltsame Farbigkeit. Außerordentlich starkes
gibt auch wieder Richard Dreher. Wir be-
sitzen in ihm zweifellos einen unsrer echtesten
Landschafter aus den beruhigten reifen Bezirken
der Ludwig Richter und Thoma. Ein naiv ent-
zücktes, träumerisches Auge schaut die innige
Schönheit der sächsischen Sommerlandschaft:
Gewitterwolken sich öffnend über sonniger
Gegend, Badende in der golden-blauen Ein-
samkeit umbuschten Ufers, Hügel und Feld am
Nachmittag. Dreher scheut jeden falschen Ton
so empfindlich, daß er die Einfachheit fast
übertreibt. Aber überall atmet bei ihm Poesie.
Auch in dem Versuch figürlicher Komposition,
die wahrscheinlich nur im Format nicht so
glücklich ist wie die kleineren Bilder.
Noch ein Wort über die Plastik. Sie be-
schränkt sich diesmal so gut wie auf die beiden
Namen Edmund Moeller und Artur Lange.
Georg Wr b a hat diesmal nichts gesandt; eben-
so sieht man nichts von Sascha Schneider,
der an seinen großen Wandgemälden für die
moderne Galerie 'arbeitet, obwohl dieses Haus
jetzt nicht gebaut wird. Moeller tritt sehr an-
spruchsvoll mit den Monumentalfiguren zu einem
Denkmal der Freiheit auf. In der Beherrschung
der Massen zeigt er sein großes technisches
Können. Aber in der Gestaltung der teils
Rodin, teils Metzner deutlich nachgebildeten
Figuren, versagt der Bildhauer. Die äußere
glänzende Mache kann die Leere der bewegten
Körper nicht verdecken. Viel echter in sich
ruhend sind die leicht stilisierten Brunnen-
figuren Langes. In seinen besten Arbeiten ist
ein heller musikalischer Fluß der Linien, die er
gern im Ornament zusammenklingen läßt. Be-
sonders schön ist ihm die Porträtbüste Richard
Drehers gelungen. —
Wie weit Kunst auch Ausdruck der Zeit ist:
die schroffen Gegensätze und Verwirrungen, die
Flucht aus den Realitäten in die Natur, und
nur in den Stärksten Gestaltung der Wirklich-
keit, Formung der Seele: man kann dies Zeit-
bild auch aus dieser Kunstausstellung ablesen,
die ganz gewiß noch unter dem entsetzlichen
Druck der vergangenen Jahre steht. Auf die
große Synthese in der Kunst werden wir aller
Wahrscheinlichkeit noch länger warten müssen.
Nur der Einzelne kann vollbringen, was uns alle
vorwärts bringen soll...... alfrkd Günther.
EMIL NOLDE. GEMÄLDE »LEUTE IM DORFKRUGf
XXII. September 1919. 3
tümlich fließenden Licht, das immer an das
Leuchten farbiger Glasfenster erinnert. Auch in
der figürlichen Komposition, in der die Gebärde
der liegenden Frau sehr fein wirkt, ist diese
seltsame Farbigkeit. Außerordentlich starkes
gibt auch wieder Richard Dreher. Wir be-
sitzen in ihm zweifellos einen unsrer echtesten
Landschafter aus den beruhigten reifen Bezirken
der Ludwig Richter und Thoma. Ein naiv ent-
zücktes, träumerisches Auge schaut die innige
Schönheit der sächsischen Sommerlandschaft:
Gewitterwolken sich öffnend über sonniger
Gegend, Badende in der golden-blauen Ein-
samkeit umbuschten Ufers, Hügel und Feld am
Nachmittag. Dreher scheut jeden falschen Ton
so empfindlich, daß er die Einfachheit fast
übertreibt. Aber überall atmet bei ihm Poesie.
Auch in dem Versuch figürlicher Komposition,
die wahrscheinlich nur im Format nicht so
glücklich ist wie die kleineren Bilder.
Noch ein Wort über die Plastik. Sie be-
schränkt sich diesmal so gut wie auf die beiden
Namen Edmund Moeller und Artur Lange.
Georg Wr b a hat diesmal nichts gesandt; eben-
so sieht man nichts von Sascha Schneider,
der an seinen großen Wandgemälden für die
moderne Galerie 'arbeitet, obwohl dieses Haus
jetzt nicht gebaut wird. Moeller tritt sehr an-
spruchsvoll mit den Monumentalfiguren zu einem
Denkmal der Freiheit auf. In der Beherrschung
der Massen zeigt er sein großes technisches
Können. Aber in der Gestaltung der teils
Rodin, teils Metzner deutlich nachgebildeten
Figuren, versagt der Bildhauer. Die äußere
glänzende Mache kann die Leere der bewegten
Körper nicht verdecken. Viel echter in sich
ruhend sind die leicht stilisierten Brunnen-
figuren Langes. In seinen besten Arbeiten ist
ein heller musikalischer Fluß der Linien, die er
gern im Ornament zusammenklingen läßt. Be-
sonders schön ist ihm die Porträtbüste Richard
Drehers gelungen. —
Wie weit Kunst auch Ausdruck der Zeit ist:
die schroffen Gegensätze und Verwirrungen, die
Flucht aus den Realitäten in die Natur, und
nur in den Stärksten Gestaltung der Wirklich-
keit, Formung der Seele: man kann dies Zeit-
bild auch aus dieser Kunstausstellung ablesen,
die ganz gewiß noch unter dem entsetzlichen
Druck der vergangenen Jahre steht. Auf die
große Synthese in der Kunst werden wir aller
Wahrscheinlichkeit noch länger warten müssen.
Nur der Einzelne kann vollbringen, was uns alle
vorwärts bringen soll...... alfrkd Günther.
EMIL NOLDE. GEMÄLDE »LEUTE IM DORFKRUGf
XXII. September 1919. 3