Hans Thomas Zeichnungen.
HANS THOMA. BLEISTIFT »BLICK INS TAL« 1871. HKS: FRITZ GURLITT—BERLIN.
Art ist urpersönlich; kantig und ehrlich, ohne
Finessen und doch voll unendlicher Reize. Sie
sind seine eigentliche künstlerische Handschrift
(und nicht selten innig verwandt den ausdrucks-
vollen Linien und Schnörkeln seiner charakter-
vollen Schreibschrift). Man spürt allzeit die
Gelassenheit ihrer Entstehung. Thoma selbst
schreibt einmal darüber: „Ich setzte mich hin
und zeichnete; das war gut, es kam dadurch
eine schöne Ruhe und Behaglichkeit über mich".
So ist das Wesen fast aller dieser Blätter! Er
übt also nicht so sehr die hastige Niederschrift
des momentanen Eindruckes, sondern die ge-
ruhsame, beschauliche Festlegung und Fixierung
des Da-S eins der Erscheinungen. So fangen
die Zeichnungen das sichtbare Wesen der
Menschen und der Natur ein, scharf und prä-
zis, wie das Auge des Künstlers es — innen
und außen — sieht. Von der Heimat ging er
aus: den weiträumigen Schwarzwaldtälern und
seinen knorrigen Bewohnern. Die Struktur
dieses Heimatlichen erfaßte unbewußt jedwede
Naturform, wo er sie fand. Kein besseres
Wort kann zur Erhellung seiner Wesenheit
dienen als dieses oft zitierte Dürersche: „Denn
wahrhaft steckt die Kunst in der Natur; wer sie
heraus kann reißen, der hat sie". So schuf auch
Thoma die Fülle von Studien und Zeichnungen.
Manche Künstler mögen sich sträuben, solche
Werke, die ohne Absicht entstanden — wie
Thoma einmal sagt als „Gelegenheitsarbeiten
ohne Zusammenhang" — isolierter Betrachtung
preisgegeben zu sehen. Die Kunstforschung
gibt ihren Vorbehalten nicht recht. Der Fall
Dürer zeigt fast das Gegenteil: daß das Wesen
seiner Kunst sich oft schärfer und bestimmter,
reiner und lebendiger in den Zeichnungen aus-
drückt, als in manchen durch Arbeit und Theorie
gelähmten Bildkompositionen.
Mit Feder und Pinsel, Kohle und Kreide hält
der Künstler das Wesentliche des Naturein-
druckes fest: indem er ihn in scharf abgegrenzte
Linien auffängt oder aber in malerische Flecken
und Flächen auflöst. Graphische Linienführung
wechselt mit malerischer Freiheit. Man kann
innerhalb dieses schaffensreichen Lebens be-
stimmte Perioden der zeichnerischen Entwick-
lung unterscheiden, die an der Hand einer vor-
bereiteten , reich illustrierten Publikation dar-
gelegt und erläutert werden sollen. Schon die
frühesten zeichnerischen Kunstäußerungen aus
den 50 er Jahren verraten eine persönliche,
gerade durch die Naivität starke Ausdrucks-
weise; und sie zeichnen sich weiterhin aus
durch die volkstümliche Kraft ihres Wesens,
durch das Volksliedmäßige seiner hohen Kunst.
HANS THOMA. BLEISTIFT »BLICK INS TAL« 1871. HKS: FRITZ GURLITT—BERLIN.
Art ist urpersönlich; kantig und ehrlich, ohne
Finessen und doch voll unendlicher Reize. Sie
sind seine eigentliche künstlerische Handschrift
(und nicht selten innig verwandt den ausdrucks-
vollen Linien und Schnörkeln seiner charakter-
vollen Schreibschrift). Man spürt allzeit die
Gelassenheit ihrer Entstehung. Thoma selbst
schreibt einmal darüber: „Ich setzte mich hin
und zeichnete; das war gut, es kam dadurch
eine schöne Ruhe und Behaglichkeit über mich".
So ist das Wesen fast aller dieser Blätter! Er
übt also nicht so sehr die hastige Niederschrift
des momentanen Eindruckes, sondern die ge-
ruhsame, beschauliche Festlegung und Fixierung
des Da-S eins der Erscheinungen. So fangen
die Zeichnungen das sichtbare Wesen der
Menschen und der Natur ein, scharf und prä-
zis, wie das Auge des Künstlers es — innen
und außen — sieht. Von der Heimat ging er
aus: den weiträumigen Schwarzwaldtälern und
seinen knorrigen Bewohnern. Die Struktur
dieses Heimatlichen erfaßte unbewußt jedwede
Naturform, wo er sie fand. Kein besseres
Wort kann zur Erhellung seiner Wesenheit
dienen als dieses oft zitierte Dürersche: „Denn
wahrhaft steckt die Kunst in der Natur; wer sie
heraus kann reißen, der hat sie". So schuf auch
Thoma die Fülle von Studien und Zeichnungen.
Manche Künstler mögen sich sträuben, solche
Werke, die ohne Absicht entstanden — wie
Thoma einmal sagt als „Gelegenheitsarbeiten
ohne Zusammenhang" — isolierter Betrachtung
preisgegeben zu sehen. Die Kunstforschung
gibt ihren Vorbehalten nicht recht. Der Fall
Dürer zeigt fast das Gegenteil: daß das Wesen
seiner Kunst sich oft schärfer und bestimmter,
reiner und lebendiger in den Zeichnungen aus-
drückt, als in manchen durch Arbeit und Theorie
gelähmten Bildkompositionen.
Mit Feder und Pinsel, Kohle und Kreide hält
der Künstler das Wesentliche des Naturein-
druckes fest: indem er ihn in scharf abgegrenzte
Linien auffängt oder aber in malerische Flecken
und Flächen auflöst. Graphische Linienführung
wechselt mit malerischer Freiheit. Man kann
innerhalb dieses schaffensreichen Lebens be-
stimmte Perioden der zeichnerischen Entwick-
lung unterscheiden, die an der Hand einer vor-
bereiteten , reich illustrierten Publikation dar-
gelegt und erläutert werden sollen. Schon die
frühesten zeichnerischen Kunstäußerungen aus
den 50 er Jahren verraten eine persönliche,
gerade durch die Naivität starke Ausdrucks-
weise; und sie zeichnen sich weiterhin aus
durch die volkstümliche Kraft ihres Wesens,
durch das Volksliedmäßige seiner hohen Kunst.