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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Storck, Willi Friedrich: Hans Thomas Zeichnungen: anlässlich des 80. Geburtstags des Künstlers am 2. Oktober
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0325

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Hans Thomas Zeichnungen.

HANS THOMA. »BAUMSTUDIE« 1860.

BES: FRITZ GURLITT—BERLIN.

Eine zweite Periode wird gekennzeichnet durch
die fleißige Fülle von Studien, die im Zusam-
menhang mit der Kunstschulzeit entstanden.
Danach wächst der persönliche Stil und die
Kraft des Ausdruckes rasch heran und zeitigt
köstliche Proben. In Italien gewinnt der Auf-
bau an Klarheit und Sicherheit, ohne daß ma-
lerische Reize ausbleiben. In Frankfurt und
seiner reichen, landschaftlichen Umgebung lok-
kert sich der Strich zu einer fast impressioni-
stischen Weichheit des Gesamtgefüges. Dann
folgt eine Zeit reicher, schaffender Phantasie-
tätigkeit, in der er ein eigenes Fabelreich zu
Leben erweckt und in Ranken und Ornamenten,
in Buchschmuck und Zierat den Stift und die
Feder sich austoben läßt. Danach tritt die
zeichnerische Tätigkeit als solche stark in den
Hintergrund und macht einer graphisch-tech-
nischen Festlegung Platz. Und auch heute noch
schreibt die alternde und noch immer frische
Hand alte Erinnerungen mit Nadel, Feder oder
Lithographenstift nieder................

Eine weitere Bereicherung wird dem Genuß
und der Kunstbetrachtung durch das Studium
der Handzeichnungen geboten. Denn für den
in das Wesen des künstlerischen Schaffens Ein-
dringenden muß es besonders fesselnd sein, den
Werdegang der Vorstellungs- und Gestaltungs-
reihen zu verfolgen von dem ersten Auftreten
einer Bildidee angesichts eines Natureindruckes
bis zur endgültigen Abrundung des Bildganzen.
Man belauscht da sozusagen den Künstler bei
der Arbeit. Thomas reiches Kunstschaffen gibt
hierfür zahlreiche Anhaltspunkte: Landschaften
und Personen treten in ihrer ursprünglichen
Naturerscheinung vor uns und lassen uns den
Weg abtasten, der zu den fertigen Bildern hin-
führt. Manche Zeichnungen werden als un-
mittelbare Vorstudien benützt und verwertet
(z. B. die Zitronenverkäuferin, die Birke, das
Felsental); andere nur als Anregung und Ma-
terial herangezogen und verarbeitet (z. B. die
Märchenerzählerin, das schlafende Kind, Baum-
studien am Wasser, die den Bildern „Im Son-

XXII. September 1919. 4
 
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