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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Michel, Wilhelm: Bildersturm
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0351

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Bildersturm.

sich in der Kunst äußert, eine dem Ethischen
nicht unterworfene, sondern gleichgeordnete
Kraft ist, ebenso unmittelbar aus dem Gött-
lichen stammend, ebenso erhaben in ihrer
stoffbesiegenden Geistesauswirkung wie jedes
andere geistige Tun. Der neue Tatmensch
schließt diese Jahrhundertarbeit, indem er in
seinem Aberglauben an die Realisierbarkeit des
Geistes im politisch-sozialen Gebilde die alten
bürgerlichen Ressentiments gegen die Kunst
erneuert. Rückwärts bestätigt er allen Unsinn,
den beschränktes, mißleitetes Ethos je über
Fragen der Kunst produziert hat. Er bestätigt

die französische Revolution, die die Kunst nur
als Mittel zur Verherrlichung vaterländischer
Tugenden dulden wollte: Napoleon, der die
gleiche Gesinnung aussprach und betätigte;
das Bürgertum, das sich über Aktdarstellungen
entrüstete; die übereifrige Geistlichkeit, die
die Vereinbarkeit künstlerischer Darstellungen
mit ihrem sittlichen und dogmatischen Stand-
punkt als Urteilsmaßstab handhabte.

All das kommt im neuen Tatgeist herauf, mit
derselben Notwendigkeit, mit der er im Sitt-
lichen die jesuitische Kasuistik wieder belebt
und im Staatlichen den Autoritätsgedanken.

XXII. September 1919. 7
 
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