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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

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Schürer, Oskar: Suzanne Valadon und Utter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0013

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B

a

SUZAN NR
VALADON
»FAMILIEN-
BILD« 1912

SUZANNE VALADON UND UTTER

Zuerst von ihr. Womit sollen wir beginnen,
wenn wir von dieser Künstlerin schreiben?
Um ihr Leben, um ihre Gestalt gewittert so viel
Dämonium, soviel Vitalismus samt seiner Tragik,
daß es nicht leicht fällt, zu faßbaren Konturen
durchzustoßen. Vor dem Kriege, im Jahre 1912,
hat sie ein Bild gemalt: sich selbst, im Kreise
ihrer Familie. Das spricht erschütternd vom
Leben, das sie trägt. Leis aus der Mitte ge-
schoben sie selbst, mit aufrechtem Kopf, die
Hand breit auf die Brust gelegt, vor ihr sitzend
ihr Sohn, Maurice Utrillo, den Kopf in die Hand
gestützt, schwermütig und fern. Hinter ihm,
auch noch hinter die Künstlerin geschichtet, die
alte Mutter, — oder ist es die Amme? — mit
lebensenthobenem Blick in Fernen schauend —
man mag dabei an das Bildnis der alten Bäue-
rin der Paula Modersohn-Becker denken —
am linken Bildrand, hinter der Valadon, ihr
Mann, nicht Vater, sondern Freund Utrillos,

Utter. Hier ist eingefangen, was an Dämonien
diese „Familie" umwittert: die reife, mit Leben
beladene Frau mit der Last ihres Daseins: dem
kranken, vom Genie besessenen Sohn, — hinter
ihr die Jugendkraft des Mannes, — wie ein Echo
im Grunde die Alte, der alles schon Fatum ist.

Diese Frau zeichnet und malt von frühester
Kindheit an. Es ist oft, als ob sie sich mit ihrer
Malerei gegen das Leben wehrte, als ob sie mit
Farbe und Form Bresche schlagen wollte gegen
eine dunkle Wand, die immer sich vorschiebt,
und als ob sie im Zurücksinken der müden Hand,
der zurückgestoßenen, zur dekorativen Geste
sich neigte, in der ihr Frauentum sich erlöst.
Aber daß wir das Bild dieser Frau nicht ver-
zeichnen: in ihr sitzt wilde Lebenskraft, eine
jähe Sinnlichkeit, ein unerschütterlicher Wille.

Man brauchte nichts von ihrem Leben zu
wissen, — ihre Bilder sagen alles von ihr aus.
Dieser feste, großausfahrende Strich mit dem

XXXI. April 1928. 1
 
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