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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

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Jubiläumsfeier der "Wiener Werkstätte"
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https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0344

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BERNHARD LUDWIG— WIEN

»AUS EINEM WOHNZIMMER«

JUBILÄUMSFEIER DER „WIENER WERKSTÄTTE"

Fünfundzwanzig Jahre „Wiener Werkstätte"
— das war das Stichwort zu einer Jubiläums-
Kundgebung, die am 31. Mai dieses Jahres in
Wien stattfand. Eine Kundgebung voll Herz-
lichkeit, voll freudiger Zustimmung zu dem vielen
Schönen, das dieses zu höchstem Ansehen ge-
langte Kunstinstitut im Laufe eines Vierteljahr-
hunderts der Welt geschenkt hat. Vielleicht
fällt gerade vom Ausland her — wofern Deutsch-
land gegenüber dem österreichischen Kunst-
schaffen überhaupt als „Ausland" gelten kann!
— der klarste, der unvoreingenommenste und
dankbarste Blick auf das, was die „Wiener
Werkstätte" in dieser Zeit geleistet hat. Diese
Leistung bestand nicht nur in vielen schönen
einzelnen Schöpfungen. Sie bestand vor allem
in einem überreichen Strom von Anregungen,
von neuen Funden, von quellender Phantasie-
Tätigkeit, der von dieser Werkstätte ausging.
Sie bestand in einer außerordentlich breiten
Schul-Wirkung, in einer Geschmacksführung,
die weit über Österreichs und Deutschlands Gren-
zen hinaus gewirkt hat. Sie bestand im Hochhal-

ten der Ideale des Schönen, des Anmutigen und
der verfeinerten Lebensform, und zwar dies alles
mit einer ausgesprochenen Wendung zum Heite-
ren und Fröhlichen hin. Wir rechnen es der
„Wiener Werkstätte" mit am höchsten an, daß
sie mit allem, was sie produzierte, stets posi-
tive Lebensgefühle in feinster, gesellschafts-
fähiger Form vertrat — ein Garten, in dem die
Blume „ Geschmack" nie zu blühen aufhörte, eine
Arbeitsstätte, in der auch unter schwerstem
Druck der Zeit die Freude nicht starb, in der
strenger künstlerischer Ernst sich eine leichte
Gestalt und die hohe Würde des Spiels zu
wahren wußte.

Diese Gesamtleistung der Schule steht hoch
über allem Zweifel. Hatte das Unternehmen
in den letzten Jahren Perioden von Schwierig-
keiten zu durchschreiten, so will das wenig
oder nichts bedeuten gegenüber dem großen
Gesamtergebnis: daß sich mit der Marke
„Wiener Werkstätte" heute (und schon längst)
ein bestimmter hoher Qualitätsbegriff, ein
Begriff von Reiz, Anmut und Form verbindet,

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