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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

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Jubiläumsfeier der "Wiener Werkstätte"
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https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0345

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Jubiläumsfeier der Wiener Werkstätte

wie er in dieser Weise kaum an ein andres ver-
gleichbares Institut geknüpft ist. Dieses Ergeb-
nis freudig und lebhaft in den Vordergrund zu
stellen, ist gerade der Leitung der „Deutschen
Kunst und Dekoration" eine angenehme Pflicht.

Mit der hier ausgesprochenen Würdigung
gehen auch die verschiedenen Pressestimmen
und Reden, die anläßlich des Jubiläums ver-
nommen wurden, übereins. So schrieb die
„Wiener Zeitung" vom 31. Mai 1928:

. . . „Von allem Anfang an war die „Wiener
Werkstätte" für das moderne Wiener Kunsthand-
werk richtunggebend und ist es bis zur Gegenwart
geblieben dank der genialen Begabung und uner-
müdlichen Arbeit ihres künstlerischen Leiters, des
Professors Josef Hoff mann, in dem sich seit
nunmehr einem Vierteljahrhundert der gute Geist
und das ewig rege künstlerische Gewissen der
„Wiener Werkstätte" verkörpert. Er hat sie im
Verein mit andern hervorragenden Künstlern und
opferwilligen Mäzenen zu dem gemacht, was sie
noch immer ist: zu einer Lehr- und Versuchsanstalt
für zeitgemäßes Kunstgewerbe, zu einem kunstge-
werblichen Laboratorium, in dem jede Technik bis
zur höchsten Vollkommenheit gesteigert wird und
der moderne Wiener Stil seine feinste und reifste
Ausprägung erhält. So ist die „Wiener Werkstätte"
aus eigener Kraft — ohne jede Beihilfe aus öffent-
lichen Mitteln — im Laufe der Jahre zu einer Hoch-
schule für guten Geschmack, zu einem Kultur-
institut geworden, dessen einzigartige Bedeu-
tung das Ausland vielfach höher zu werten wußte
als die Heimat."

Die „Arbeiterzeitung" betonte besonders das
Verdienst der „Wiener Werkstätte" um die
„Errettung der Zeit aus der phantasielosen
Nüchternheit" und ließ ihren Glückwunsch in
folgenden Ausführungen gipfeln:

. . . „Was wir schön nennen, das verkörpert
irgendwie immer gesteigertes und gleichzeitig un-
getrübtes Leben. In diesem gesteigerten und un-
getrübten Leben ist immer auch die Zweckmäßig-
keit mit inbegriffen, weil geläutertes Leben nicht
zweckwidrig sein kann. Und wenn wir Schönheit
genießen, so erleben wir unser eigenes Leben ge-
steigert und ungetrübt. Josef Hoffmann und die
„Wiener Werkstätte" haben die Forderungen der
Zeit nach Rückkehr zur Zweckmäßigkeit aus der
Einsicht in die wesenhafte Bedeutung der Schön-
heit erfüllt und darum auch mit dieser Erfüllung
eines der größten Güter der Menschheit, die Freude
an der Schönheit, vor seinem Untergang in trost-
loser Nüchternheit bewahrt. Dafür gebühren ihnen
Dank und darum hat die Öffentlichkeit guten Grund
dazu, der „Wiener Werkstätte" zu ihrer Feier Glück
für alle Zukunft zu wünschen."

Die Jubiläums - Festlichkeiten umschlossen,
formvoll und vornehm gestaltet, einen Festakt
im großen Saale der Albertina, einen Jausen-
empfang des Handelsministers im Schönbrunner

Garten und ein Künstler-Nachtfest im Augarten.
Der Festakt sah eine große, illustre Versamm-
lung von Vertretern der Regierung und der Be-
hörden, von Freunden und Mitarbeitern der
„WienerWerkstätte".BundespräsidentHainisch
war erschienen, ebenso Handelsminister Schürf f,
Bürgermeister Emmerling, Handelskammerprä-
sident Tilpner, Sektionschef Dr. Adolf Vetter
und viele andere offizielle Persönlichkeiten. An
auswärtigen Delegierten waren u. a. zugegen
Dr. Günther von Pechmann als Vertreter des
bayrischen Kultusministeriums, Professor Axel
Romdel als Beauftragter Schwedens, Bürger-
meister Loche als Vertreter der Stadt Köln,
Dr. Ellinger aus New-York, Prof. Czaykowski
als Vertreter der polnischen Künstlerschaft.

Der Herausgeber der „Deutschen Kunst und
Dekoration", Hofrat Dr. h. c. Alexander Koch,
hatte an den künstlerischen Leiter der „Wiener
Werkstätte", Professor Dr. Josef Hoffmann, ein
freundschaftliches Glückwunschschreiben ge-
richtet, worin er seiner Befriedigung Ausdruck
gab, daß es ihm vergönnt war, von Anfang an
sämtliche wesentlichen Erzeugnisse dieses In-
stituts in der „Deutschen Kunst und Dekora-
tion", sowie in verschiedenen von ihm heraus-
gegebenen Sammelbänden zum ewigen Ge-
dächtnis aufbewahren zu können.

Die Eröffnungs- und Begrüßungsansprache
hielt Dr. Kuno Grohmann.

In der Rede des Handelsministers Schürff
kam vor allem zum Ausdruck, daß der Name
„Wiener Werkstätte" ein Programm, ein Wert-
begriff sei und daß er nach außen hin gerade-
zu das gesamte österreichische Kunstgewerbe
vertrete:

. . . „Der Name „Wiener Werkstätte" bedeutet
ein Programm und wenn im Auslande von öster-
reichischem Kunstgewerbe die Rede ist, so ist da-
bei in erster Linie auch an die „Wiener Werkstätte"
gedacht, und ihrem Auftreten auf unzähligen Aus-
stellungen ist es zum großen Teile zu danken,
wenn das österreichische Kunstgewerbe in den
letjten Jahrzehnten ungeachtet der schwierigsten
Verhältnisse imstande war, seinen alten Ruf zu
wahren und zu mehren. Ich möchte bei diesem
Anlasse auf das Programm zurückkommen, welches
bei der Gründung des Unternehmens der Mann in
scharf umrissenen Sätjen formuliert hat, der heute
noch als künstlerischer Leiter des Unternehmens
tätig ist und zu dem viele hunderte Jünger auf
dem Gebiete der angewandten Kunst als zu ihrem
Führer emporblicken: Josef Hoffmann. Dieses Pro-
gramm lautete dahin, einen innigen Kontakt zwischen
Publikum, Entwerfer und Handwerker herzustellen
und gute Geräte zu schaffen, einen lebendigen Ein-
klang zwischen Gebrauchsfähigkeit, Materialechtheit
und richtiger Materialbehandlung zu ermöglichen
und so die Vorausseßungen zu schaffen, um den

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