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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

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Schürer, Oskar: Suzanne Valadon und Utter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0014

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Suzanne Valadon und Utler

ANDRK UTTER—PARIS

robusten, kernigen Kontur. Die satte Farbe,
die doch in Tönen und Nuancen sich untermalt.
Breitflächig, sehr irdisch Fläche und Farbe hin-
gesetzt. Und dazwischen plötzlich wieder eine
zage Geste, Aufblilzen eines Traums, der heim-
lich schluchzt. Viel Eigenwilligkeit und doch
wieder ein hingegebener Dank, ein Staunen,
ein Sich-Verlieren. Ja, dies Wesen mußte ein
tiefenreiches Leben aus dem Ursinn reißen, es
fordert magnetisch Höhen und Tiefen heraus.

Wir dürfen ein kurzes von diesem Leben er-
zählen, denn es ist mit Frankreichs malerischen
Ruhmeszeiten verknüpft. Früh kommt das
Landmädchen in die große Stadt Paris. Hält
sich einsam in hoher Mansarde und zeichnet
und zeichnet. Aber nie mit dem Anspruch,
Kunst zu tun. Da reißt es sie heraus aus
der Stille: in den Zirkus. Ihr kleiner ranker
Körper hängt am Trapez, turnt in der Manege.
Sie stürzt, ist schwer verletzt — die Stille holt
sie wieder. Und wieder zeichnet sie, malt auch,
steht Modell bei Puvis de Chavannes. Ihr Zim-
mernachbar in der kleinen Wohnung ist Tou-
louse-Lautrec. Den packt die Neugier, was die

> LANDSCHAFT« 1923

kleine Zirkusdame macht. Sieht die Zeichnun-
gen, ist erstaunt, entzückt. Zeigt sie seinem
Freunde Bartholome, dem Bildhauer. Beide
bringen das Mädchen zu dem großen Degas.
Und eine Freundschaft beginnt, die das ganze
Leben des großen Künstlers dauern sollte. Sehr
schöne Briefe an sie sind von seiner Hand er-
halten. An die „diablesse", an die „terrible
Marie", die so prachtvoll zeichnet. Degas ist
es, der sie zur Kunst ermuntert, der ihre Blätter
bekannt macht, der ihr starker Halt ist in ihrer
stürmischen Entwicklung. Sie steht Modell bei
ihm, bei Renoir. Sie bekommt das Kind, dessen
Vater wir nicht wissen. Ein Spanier gibt ihm
später seinen Namen aus Liebe zu der jungen
Mutter und zu dem Kind: Utrillo. Die Tragödie
beginnt: früh zeigt sich der Trinkerwahnsinn
bei Utrillo. Freunde erzählen, wie die Mutter
um diesen Sohn gerungen hat, wie sie ihn in
die Sanatorien brachte und wieder holte, wie
sie ihn von den Straßen auflas und immer wieder
zu sich nahm. Ja, angesichts dieses Schicksals
überkommt einen oft das Gefühl, daß für die
Bilder eigentlich nur ein Bruchteil der Kraft
 
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