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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

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Schürer, Oskar: Charlotte Radnitz-Schroetter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0033

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CHARLOTTE
RADN IT Z.
»JUNGES
MÄDCHEN«

CHARLOTTE RADNITZ-SCHROETTER

Uberall in der Welt warten Bilder, leis und
versonnen, bis einerkommt, der sie pflücke.
Nicht mit hurtig ungestümer, vielleicht frecher
Hand — die Bilder würden zerbrechen. Nein,
sorgsam, mit zarten Händen, mit Sinnen, oft
ganz im Traum geborgen, der wie Flaum über
den Gesten zittert. Ja, Traum muß die Fahrten
überschatten, die solche Bilder aufspüren sollen.
Denn wie ein Erwidern auf eigene Träume sind
sie, sind Bestätigungen und volles Glück des
Wirklichwerdens. — Es gibt so viele Arten, wie
Bilder entstehen. Abbildung des Wahrgenom-
menen ist nur eine von ihnen — und oft die
plumpste. Vorstellung drängt sich meist vor die
Wahrnehmung. Und ihr entsprechend wachsen
die Bilder in die Wirklichkeit der Kunst hinein.

Bei manchen aber schiebt sich eine heimliche
Traumsphäre zwischen Wahrnehmen und Erken-
nen. Die sie schaffen, sind Tänzer am Rande des
Lebens. Ihr Erleben formt sich erst in der Distanz
zum heftigen Augenblick, ihre Räume sind ma-
gisch durchzittert von Ahnungen, Ängsten und
heimlichen Wundern. Sie grüßen sich durch die
Jahrhunderte, bilden über alle Zeiten hinüber
einen stillen Bund und spinnen ihre Phantasien zu
bunten Teppichen, die unser Leben wundersam
umsäumen. Ihnen wachsen die Bilder zu, von
denen wir eingangs sprachen. Zwischen Wahr-
nehmen und Gestalten, zwischenFund und Pllük-
ken schmilzt ihnen Segen und Leid ihres Traums
ins Bilden ein. Und was ihnen gedeiht an Bild
und Figur, bleibt tief ihrem Herzen verbunden.

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XXXI. April 1928. 8 »
 
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