ANGELA STADTHERR—WIEN
»SÄULENBEKRÖNUNGEN« MESSING
ANGELA STADTHERRS NEUE PLASTIKEN
VON WOLFGANG BORN
Hier ist die von der Erkenntnis mittelalter-
lichen Schaffens abgeleitete Forderung
verwirklicht, Kunst unmittelbar aus dem Hand-
werk zu entwickeln. Talent und Schicksal haben
dabei zusammengewirkt. Das junge Mädchen,
aufgewachsen in der besinnlichen Stille einer
Klosterschule, wird mit 15 Jahren heimgerufen,
um die väterliche Werkstatt in Wien zu über-
nehmen. Sie erlernt die Spenglerei, wird Ge-
selle und Meister und besucht dabei die Kunst-
gewerbeschule. Nachdem sie in einem Jahre
unter Strnads kluger Leitung die Grundlagen
erworben hat, findet sie in Anton Hanak den
Meister, den sie braucht. Von 1919—23 ar-
beitet sie in seiner Klasse, seither selbständig,
ohne jemals ihrem handwerklichen Beruf un-
treu geworden zu sein.
Hanak ließ die Anfängerin in dem Metall
arbeiten, das ihr geläufig war, in Blech, und
von unbeirrbarem Stilgefühl geleitet, schuf sie
bereits im ersten Jahr die „Stehende Figur"
(Abb. Seite 46), der 1921 der monumentale
„Ritter", 1922 die „Sitzende" und 1924—1925
die dekorativen Wandverkleidungen für den Me-
tallraum der Pariser Kunstgewerbeausstellung
folgten.*) Endlich, 1925, erhält sie von der
Gemeinde Wien einen Auftrag, der ihr die Mög-
lichkeit gibt, sich zu entfalten: die Schaffung
eines Reliefs von 17 m Länge und 2 m Höhe
für die Einfahrt eines Volkswohnhauses (des
„Lindenhofes" von Stadtbaurat Leischner). In
wenigen Monaten ist diese Riesenarbeit ohne
jede Hilfskraft vollendet, eine figurale Kompo-
sition von archaischer Wucht, 20 cm hoch in
Kupferblech getrieben. Durch steinerne Pfeiler
in ein Mittelstück und zwei kleinere Teile ge-
trennt, gruppiert sich um die mütterliche Erde
in getragenem Rhythmus ein Chor von Gestal-
ten, die, summarisch charakterisiert, die Mächte
des Lebens verkörpern.
Aber auch für Aufgaben intimerer Art, wie
sie der bewohnte Innenraum stellt, findet ihr
Talent bei aller Herbheit Lösungen von glück-
lichstem Takt. Neben kleineren Arbeiten (etwa
*) Im Oktoberheft 1923 der »Deutschen Kunst und Dekoration«
wurde die »Stehende Figur« bereits abgebildet. Im Maiheft 1924
wurde auch der »Ritter« publiziert. Abbildungen nach einem mit
einem Mitschüler gemeinsam geschaffenen Altar befinden sich bei
beiden Veröffentlichungen. Den Metallraum zeigt das Okt.-Heftl925.
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»SÄULENBEKRÖNUNGEN« MESSING
ANGELA STADTHERRS NEUE PLASTIKEN
VON WOLFGANG BORN
Hier ist die von der Erkenntnis mittelalter-
lichen Schaffens abgeleitete Forderung
verwirklicht, Kunst unmittelbar aus dem Hand-
werk zu entwickeln. Talent und Schicksal haben
dabei zusammengewirkt. Das junge Mädchen,
aufgewachsen in der besinnlichen Stille einer
Klosterschule, wird mit 15 Jahren heimgerufen,
um die väterliche Werkstatt in Wien zu über-
nehmen. Sie erlernt die Spenglerei, wird Ge-
selle und Meister und besucht dabei die Kunst-
gewerbeschule. Nachdem sie in einem Jahre
unter Strnads kluger Leitung die Grundlagen
erworben hat, findet sie in Anton Hanak den
Meister, den sie braucht. Von 1919—23 ar-
beitet sie in seiner Klasse, seither selbständig,
ohne jemals ihrem handwerklichen Beruf un-
treu geworden zu sein.
Hanak ließ die Anfängerin in dem Metall
arbeiten, das ihr geläufig war, in Blech, und
von unbeirrbarem Stilgefühl geleitet, schuf sie
bereits im ersten Jahr die „Stehende Figur"
(Abb. Seite 46), der 1921 der monumentale
„Ritter", 1922 die „Sitzende" und 1924—1925
die dekorativen Wandverkleidungen für den Me-
tallraum der Pariser Kunstgewerbeausstellung
folgten.*) Endlich, 1925, erhält sie von der
Gemeinde Wien einen Auftrag, der ihr die Mög-
lichkeit gibt, sich zu entfalten: die Schaffung
eines Reliefs von 17 m Länge und 2 m Höhe
für die Einfahrt eines Volkswohnhauses (des
„Lindenhofes" von Stadtbaurat Leischner). In
wenigen Monaten ist diese Riesenarbeit ohne
jede Hilfskraft vollendet, eine figurale Kompo-
sition von archaischer Wucht, 20 cm hoch in
Kupferblech getrieben. Durch steinerne Pfeiler
in ein Mittelstück und zwei kleinere Teile ge-
trennt, gruppiert sich um die mütterliche Erde
in getragenem Rhythmus ein Chor von Gestal-
ten, die, summarisch charakterisiert, die Mächte
des Lebens verkörpern.
Aber auch für Aufgaben intimerer Art, wie
sie der bewohnte Innenraum stellt, findet ihr
Talent bei aller Herbheit Lösungen von glück-
lichstem Takt. Neben kleineren Arbeiten (etwa
*) Im Oktoberheft 1923 der »Deutschen Kunst und Dekoration«
wurde die »Stehende Figur« bereits abgebildet. Im Maiheft 1924
wurde auch der »Ritter« publiziert. Abbildungen nach einem mit
einem Mitschüler gemeinsam geschaffenen Altar befinden sich bei
beiden Veröffentlichungen. Den Metallraum zeigt das Okt.-Heftl925.
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