Die Künstler -Gruppe » Novecento< in Italien
ALBERTO SALIETTI
i '■ ALEK1 L KSAME-M A[LAND
»STRASSE IM WALD« 1927
Malerei (die er nebenbei auch „kann"). Ein
Höchstmaß an Objektivität ist in solchen Bildern
erstrebt und erreicht, eine durchaus lateinische,
nicht sogleich eingehende Distanz des Künstlers
zu seinem Gegenstande. Wer diesen Malern
Mangel an Originalität vorhalten will, dem sei
mit dem hübschen Wort eines italienischen
Kritikers entgegnet: „alle Wege führen nach
dem Louvre", das will sagen: keine lebensfähige
Kunst schwebt beziehungslos im freien Raum!
Charakteristisch für diese neue „Auflebungs-
kunst" ist ein Bild wie die drei Chirurgen des
Bolognesen Ubaldo Oppi. Die Stimmung des
Ganzen ist durchaus aus der Sante Conver-
satione, der religiösen Malerei herzuleiten: das
gleiche harmonische Zusammenklingen der
menschlichen Figuren mit der Architektur, die
durch die faltigen Ärztemäntel unterstrichene
unpersönliche Monumentalität der Erschei-
nungen, die gleiche gemessene Gelassenheit
und latente Dramatik der Unterhaltung. Hier
liegt das Neue schließlich fast nur in der Um-
deutung des Stofflichen. Im übrigen bevor-
zugen diese Künstler — auch dies ein bezeich-
nender Zug — in ihren Porträtdarstellungen
Ingenieure, Ärzte, Baumeister, Männer mit
Zirkel, Maß und Wage; keine fremdartig phan-
tastisch drapierten Theaterhelden reizen sie
mehr zur Darstellung, wie sie ja auch in ihrem
Programm einmal erklären „Abendländer bis in
die Fingerspitzen" zu sein.
Durch eine Parallele in der Literatur wird
das Zwangsläufige dieser Entwicklung zur Be-
sonnenheit und unerbittlichen Klarheit noch be-
sonders erhellt, die man kürzlich als „Tod der
italienischen Romantik" bezeichnet hat. Ver-
gebens sucht man in den Romanen der neuen
Italiener, der Bacchelli, Palazzeschi u. a. nach
den altgewohnten theatralischen Deklamationen,
den unvorhergesehenen Pointiertheiten, den
dichtgesäten Ausrufungszeichen. In objektiver
distanzierter Ruhe reiht der überlegene Autor
72
ALBERTO SALIETTI
i '■ ALEK1 L KSAME-M A[LAND
»STRASSE IM WALD« 1927
Malerei (die er nebenbei auch „kann"). Ein
Höchstmaß an Objektivität ist in solchen Bildern
erstrebt und erreicht, eine durchaus lateinische,
nicht sogleich eingehende Distanz des Künstlers
zu seinem Gegenstande. Wer diesen Malern
Mangel an Originalität vorhalten will, dem sei
mit dem hübschen Wort eines italienischen
Kritikers entgegnet: „alle Wege führen nach
dem Louvre", das will sagen: keine lebensfähige
Kunst schwebt beziehungslos im freien Raum!
Charakteristisch für diese neue „Auflebungs-
kunst" ist ein Bild wie die drei Chirurgen des
Bolognesen Ubaldo Oppi. Die Stimmung des
Ganzen ist durchaus aus der Sante Conver-
satione, der religiösen Malerei herzuleiten: das
gleiche harmonische Zusammenklingen der
menschlichen Figuren mit der Architektur, die
durch die faltigen Ärztemäntel unterstrichene
unpersönliche Monumentalität der Erschei-
nungen, die gleiche gemessene Gelassenheit
und latente Dramatik der Unterhaltung. Hier
liegt das Neue schließlich fast nur in der Um-
deutung des Stofflichen. Im übrigen bevor-
zugen diese Künstler — auch dies ein bezeich-
nender Zug — in ihren Porträtdarstellungen
Ingenieure, Ärzte, Baumeister, Männer mit
Zirkel, Maß und Wage; keine fremdartig phan-
tastisch drapierten Theaterhelden reizen sie
mehr zur Darstellung, wie sie ja auch in ihrem
Programm einmal erklären „Abendländer bis in
die Fingerspitzen" zu sein.
Durch eine Parallele in der Literatur wird
das Zwangsläufige dieser Entwicklung zur Be-
sonnenheit und unerbittlichen Klarheit noch be-
sonders erhellt, die man kürzlich als „Tod der
italienischen Romantik" bezeichnet hat. Ver-
gebens sucht man in den Romanen der neuen
Italiener, der Bacchelli, Palazzeschi u. a. nach
den altgewohnten theatralischen Deklamationen,
den unvorhergesehenen Pointiertheiten, den
dichtgesäten Ausrufungszeichen. In objektiver
distanzierter Ruhe reiht der überlegene Autor
72