Die Künstler-Gruppe »IVovecento« in Italien
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anderen wenig gemein hat. Doch wurde die
rein formale Sicherheit und Großzügigkeit des
Komponierens, zu der dieser Träumer noch in
letzter Stunde erwachte, vorbildlich für Viele
des Kreises. Auch in den Schwermut-umwitter-
ten Bildern des genialen Mario Sironi spürt
man noch etwas von der Hintergründigkeit der
älteren Generation. Für die anderen aber ist
eine Art des Schauens charakteristisch, die mit
X-Strahlen die Dinge zu durchdringen scheint,
bis zum nackten Gerüst der Erscheinungen vor-
dringen will, eine Tendenz, die dann wieder
plötzlich wie bei Chirico, früher auch bei Carrä
und G. Zanini in verwegenste Mystik, eine
traumhafte Maschinenphantastik umschlagen
kann. Von Malern, die dem Novecento Physiog-
nomie verleihen, können hier nur noch genannt
werden: die Römer C.Socrate und C. E. 0 p p o,
Casorati und Carena aus Picmont, G. Seve-
rini, Campigli, P. Marussig, A. Soffici.
Unter den Bildhauern überragt Adolfo Wildt,
der die längst verloren geglaubte handwerkliche
Tradition der spätmittelalterlichen Steinmetz-
kunstmitgeradezu f rappanterFormbeherrschung
in seinen Werken wieder aufleben läßt. Zuerst
steht man fast betroffen vor der naiven Material-
freudigkeit: an Gold, Elfenbein, Alabaster ist
nicht gespart. Aber das ist weit von kunstge-
werblicher Spielerei entfernt. Das Material ist
in den feinsten Stufungen seiner expressiven
Möglichkeiten erfaßt, ist des bloß Substantiellen
entkleidet und Klang geworden, der ausschließ-
lich dem Ausdruckswillen der ganzen Komposi-
tion dienen muß. Das gilt für die reiche religiöse
Plastik, die vielfach ihre Anwendung als Grab-
schmuck findet, im gleichen Gerade wie für die
Porträts, in denen eine jede Sprödigkeit des
Stoffes überwindende fast grausame psycho-
logische Differenzierung mit den sparsamsten
saubersten plastischen Mitteln erreicht ist. (Die
Büsten von Papst Pius XI, von Benito Mussolini,
dem Dirigenten Toscanint, Nicola Bonserrizi,
die Maske Sarfattis.) In dem Betonen der tak-
tilen, präzis plastischen Werte liegt schärfster
unausgesprochener Protest gegen den in seinen
Nachwirkungen weit mehr verheerenden als
befruchtenden Geist Rodins. Durch den auch
bei den Malern vorherrschenden Willen zur
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anderen wenig gemein hat. Doch wurde die
rein formale Sicherheit und Großzügigkeit des
Komponierens, zu der dieser Träumer noch in
letzter Stunde erwachte, vorbildlich für Viele
des Kreises. Auch in den Schwermut-umwitter-
ten Bildern des genialen Mario Sironi spürt
man noch etwas von der Hintergründigkeit der
älteren Generation. Für die anderen aber ist
eine Art des Schauens charakteristisch, die mit
X-Strahlen die Dinge zu durchdringen scheint,
bis zum nackten Gerüst der Erscheinungen vor-
dringen will, eine Tendenz, die dann wieder
plötzlich wie bei Chirico, früher auch bei Carrä
und G. Zanini in verwegenste Mystik, eine
traumhafte Maschinenphantastik umschlagen
kann. Von Malern, die dem Novecento Physiog-
nomie verleihen, können hier nur noch genannt
werden: die Römer C.Socrate und C. E. 0 p p o,
Casorati und Carena aus Picmont, G. Seve-
rini, Campigli, P. Marussig, A. Soffici.
Unter den Bildhauern überragt Adolfo Wildt,
der die längst verloren geglaubte handwerkliche
Tradition der spätmittelalterlichen Steinmetz-
kunstmitgeradezu f rappanterFormbeherrschung
in seinen Werken wieder aufleben läßt. Zuerst
steht man fast betroffen vor der naiven Material-
freudigkeit: an Gold, Elfenbein, Alabaster ist
nicht gespart. Aber das ist weit von kunstge-
werblicher Spielerei entfernt. Das Material ist
in den feinsten Stufungen seiner expressiven
Möglichkeiten erfaßt, ist des bloß Substantiellen
entkleidet und Klang geworden, der ausschließ-
lich dem Ausdruckswillen der ganzen Komposi-
tion dienen muß. Das gilt für die reiche religiöse
Plastik, die vielfach ihre Anwendung als Grab-
schmuck findet, im gleichen Gerade wie für die
Porträts, in denen eine jede Sprödigkeit des
Stoffes überwindende fast grausame psycho-
logische Differenzierung mit den sparsamsten
saubersten plastischen Mitteln erreicht ist. (Die
Büsten von Papst Pius XI, von Benito Mussolini,
dem Dirigenten Toscanint, Nicola Bonserrizi,
die Maske Sarfattis.) In dem Betonen der tak-
tilen, präzis plastischen Werte liegt schärfster
unausgesprochener Protest gegen den in seinen
Nachwirkungen weit mehr verheerenden als
befruchtenden Geist Rodins. Durch den auch
bei den Malern vorherrschenden Willen zur