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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

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Osborn, Max: Die Berliner Secession im neuen Hause
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https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0101

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ERNST STERN—BERLIN

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DIE BERLINER SECESSION IM NEUEN HAUSE

VON DR. MAX OSBORN

Die Berliner Secession hat nun das für eine
Künstlervereinigung schon ansehnliche
Alter von schier dreißig Jahren auf dem Rücken.
Genau in der Mitte dieses Zeitraums, 1913, fand
das große Revirement statt: die um Liebermann
trennten sich von denen um Corinth, und —
drolligerweise — der alte Name blieb bei den
Corinthern, obwohl eigentlich doch die Lieber-
mannianer den Grundstein gelegt hatten. So
setzte eine wunderliche Verschiebung ein. Die
Secession trat in Gegenstoß und Wettbewerb
zu ihrem einstigen Vater Liebermann; immer
kräftiger, als dieser Akademiepräsident wurde
und damit ein neues Machtmittel von nicht zu
unterschätzender Bedeutung in die Hand bekam.
Innerliche Gegensätze? Keine Rede davon. In
den künstlerischen Anschauungen stimmte man
durchaus überein. Nicht minder in der instink-
tiven und mehr oder weniger zur Schau getra-
genen Abneigung gegen das anmarschierende
junge Geschlecht, das über den Impressionismus
hinaus wollte. Man ließ wohl, hier wie dort,
völlig übereinstimmend, allerlei Vertreter der
neuen Generation zu, man lud sie sogar mit
lockender Freundlichkeit ein — aber es waren

doch meist solche Elemente, die noch irgend
welche Verbindungsfäden mit der älteren
Manier nachweisen konnten, nur gelegentlich
tauchte auch einmal ein entschlossener Neutöner
auf —, und das gesamte Verfahren hatte nur
eine halbe Herzlichkeit, es fehlte die Liebe, die
ewiglich währet. Unnötig zu sagen, daß man
sich von irgend welchen kühneren Vorstößen
und Experimenten im großen Stil grundsätzlich
fern hielt. Nicht ohne Ängstlichkeit. Und alles
dies sowohl hier wie dort, in beiden Lagern,
die sich als so etwas wie Gegner betrachteten
und gelegentlich sogar recht grimmig befehdeten.
Wahrlich, ein sonderbarer Zustand.

Diese Lage besteht unverändert auch heute
fort, da die Secession — man braucht kaum
mehr zu sagen, die „Berliner Secession", denn
der reine alte Revolutionsname, ohne Zusatz,
1892 in München geprägt, besteht heute über-
haupt fast nur noch in Berlin — also da „die
Secession" ein neues, sehr respektables Heim
bezogen hat, womit sie beweist, daß ihr trotz
vielfachen Totsagens von allen möglichen Seiten
noch immer eine beträchtliche Lebenskraft inne-
wohnt. Ja, die Situation ist immer noch ver-

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XXXI. Mai 1928. 8
 
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