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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

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Sydow, Eckart von: Das Innen und Außen des Landschaftsbildes
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Maezen und Sammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0119

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Das Innen und Atißen des Landschaftsbildes

Schicksalen. Jede Epoche hat ja ihr grund-
legendes Prinzip gehabt, aus dem dann die
Gegebenheiten der Wirklichkeit ihr Leben aus
künstlerischem Eigenrecht empfingen. So hat
der Klassizismus die heroische Landschaft
geschaffen, in deren stark stilisierenden Zügen
Gebirge und Wasserfälle und Flüsse und weite
Ebenen das Großartige und Anspruchsvolle
überwiegen ließen. So hat die Romantik jene
innerlich sehr belebten, äußerlich oft schlichten
Motive bevorzugt, in denen das still-einfache
Leben der idyllischen Existenz waltet und raunt,
— eine Landschaftsschilderung, die C. G. Carus
etwas umständlich als „Erdleben-Bild" ge-
tauft hat. Auch hier also, wo immer man die
Sonde anlegen möge, zeigt sich eine reiche Viel-
fältigkeit der seelischen Impulse, die in Bildern
der Koch und Runge und ihrer Nachfolger be-
herrschend mitsprachen. Denn das Mystische
des Naturlebens in dem einen, wie in dem
anderen Sinne ist von innerlicher, seelischer
Bedeutsamkeit.

Ganz laut dann erklangen in van Goghs,
Ed. v. Münchs Gemälden die Fanfaren subjekt-
iver Willkür, aller Überzeugung von der Blos-
legung objektiver Gegebenheit zum Trotz. Bei
den Expressionisten und selbst den meisten
Vertretern der sog. Neuen Sachlichkeit ist
das manchmal erschreckende Übermaß der sub-
jektiven Momente nicht minder deutlich.

Aber auch dort, wo die landschaftlichen Mo-
tive in ihrer Reinkultur auftraten: im Impres-
sionismus, auch hier sind sie durchtränkt von
Kraftimpulsen geistiger Art. Wohl sind der
Himmel, die Wolken, das Licht von ebenso
großer objektiver Dinglichkeit und Sachlichkeit,
wie auf der anderen Seite die Felder, Gesträuche
und Blumen. Aber die Auswahl der Einzelheiten
nimmt doch Rücksicht auf das Ganze des Bild-
gefüges, — der Abschluß mit dieser Wolke ist
ebenso wenig zufällig, wie der Beginn mit jenem
Baum und Lichterglanz auf seinen Blättern. Das
Gefühl für die Totalität, das Zusammenge-
hörende der Einzelheiten ist dem Impressionisten
nicht weniger tief eingeprägt, als seinem klassi-
zistischen Gegenfüßler, nur daß es sich weit
verborgener hält. Es äußert sich auch dort,
wo eine bewußte Fragmentarizität auftritt und
dem konstruktiven Element Hohn zu sprechen
scheint.

Aber es ist nicht bloß dieserlmpuls rechnender
Anordnung, der von innen herkommend das
Äußere der impressionistischen Landschaft be-
herscht. Die Auswahl selbst der sachlichen
Inhalte ist vom persönlichen Geschmack beein-

flußt. Denn durchaus nicht alle und jede Ele-
mente der Wirklichkeit zieht z. B. der franzö-
sische Impressionismus heran, sondern erwählte
mit ausschließlicher Vorliebe alle jene Elemente
des Naturlebens, in denen das Idyllische,
Naive, Freudvolle des Daseins besonders
eindeutig zum Ausdruck kam. Derunreflektierte,
paradiesische Zustand ist es, von dem alle
gute Impressionistik Westeuropas zeugt. Daher
das Aufgebot des hellen, schimmernden, glän-
zenden Lichts, — daher der Sinn für das Ver-
schwebende der Existenz, — daher die Tendenz
zur Überleitung von der gebundenen Technik
zur auflösenden Pointillistik. Heiterkeit und
Idyllik, — sie sprechen sich deutlich in der Stoff-
wahl aus und sie gehen Hand in Hand mit der
latenten Konstruktion des Bildgefüges.

Vielleicht können wir zum Schluß ein Schema
aufstellen, daß auf dem einen Pol die subjektiv
betonten, auf dem anderen Pol die objektive-
ren Landschaftsbilder enthielte. Die Epoche,
welche am stärksten die zweite Art repräsen-
tiert, ist die des Impressionismus. Aber man
sah, wie sehr auch er noch im Bannkreis der
persönlichen Impulse steht. Wen aber kann
dies Wunder nehmen? Wohl ist die Absicht
der Kunstschöpfung mit bewußter Kraft auf die
Klarlegung der objektiven Wahrheit eingestellt,
aber im tiefen Unterbewußtsein ist die Kunst-
welt ein Kampfplatz, auf dem sich die persön-
liche Auseinandersetzung des Künstlers mit der
Wirklichkeit abspielt, — eine Auseinander-
setzung, die schließlich in der Ineins-Setzung von
Mensch und Welt gipfelt, bei der das subjektive
Moment mit Notwendigkeit überwiegen muß.

*

MAEZEN UND SAMMLER

Zweierlei Typen, deren Vereinigung das Ideal
ergibt, das Horaz besungen hat in Mae-
zenas. Was unterscheidet sie? Der Maezen
lebt für die Künstler, — der Sammler lebt für
sich und die Künstler für ihn. Der Maezen baut
das Leben hinauf ins Morgige, — der Sammler
untergründet es bestenfalls mit Gestrigem. Die
Tat des Maezens gilt den Künstlern, — die des
Sammlers gilt der Kunst. Dem Maezen droht
die Gefahr der Überschätzung der Person, —
dem Sammler die der Überschätzung der Sache.
Der Maezen kann sich ins Menschliche verlieren
— der Sammler kann im Scherbenehrgeiz er-
sticken. Man sieht: Gegeneinanderstellung
treibt beide ins unfruchtbare Extrem, nur gegen-
seitige Ergänzung schafft den Typus, in dem sich
wirkliche Kunstliebe entfalten kann. ... o. s.
 
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