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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

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Tietze, Hans: Zu den Bildern von Joseph Floch
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https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0161

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Zu den Bildern von Joseph Floch

JOSEPH FLOCH—PARIS

Grenze aufsucht — dem Künstler seine Vision
ins Anschauliche zu fassen. Fischerhütten, zu
urweltlich primitiven Dörfern zusammenge-
drängt, turmbewehrte Städtchen auf meerbe-
herrschenden Hügeln bieten ihm die geschlossene
Form, die er braucht; auch die architektonische
Klarheit südlichen Pflanzenwuchses bleibt ihm
ein willkommenes Thema. Daneben gilt seine
Mühe dergroßen Figurenkomposition; Menschen
in den einfachsten Haltungen und Verrichtungen
bevölkern seine Bilder, in denen natürliches
Dasein sich zu künstlerischer Sphäre verklärt.
Hier ist das Einfachste das Schwerste; wie
sitzende und stehende Gestalten das Gerüst
einer Komposition werden, wie das schichten-
weise Vertiefte dennoch in der Ebene verteilt
bleibt, und wie die landschaftlichen Elemente
dazu beitragen müssen, diese wohlausgewogene
Harmonie zu befestigen — es bedarf keiner
individuellen Zerlegung dieser Probleme Flochs,
er steht hier mitten in der Arbeit, die in den
Zentren der heutigen Malerei verrichtet wird.

Aber so restlos geht Floch in diesen vor
allem in Paris heimatsberechtigten Aufgaben-
kreis nicht ein; namentlich in seinen Bildnissen

»SÜDFRANZÖSISCHE STADT«

fühlen wir die starke innere Anteilnahme, den
Hang zur Seelenschilderung, das Bedürfnis nach
geistiger Erfassung, die sein deutsches und öster-
reichisches Erbteil ist. Innerhalb der großen
und klaren Formen, zu denen er die äußere
Erscheinung seiner Modelle vereinfacht, bleibt
die individuelle Beseeltheit bestehen; hier wo
er dem Menschlichen Aug ins Auge blickt, er-
weicht sich dieses harten Arbeiters Strenge.
Seine in der schweren Selbstzucht eines solchen
Werdegangs gereifte Menschlichkeit versagt dem
Dargestellten nicht das Tröpfchen Liebe, dessen
es zum vollen Verständnis bedarf.

Und so wächst Joseph Floch in die Kunst
seiner neuen Heimat hinein, ohne doch die
Fäden zur alten ganz zu zerreißen; in den
Wurzeln dieses graden und zukunftssicheren
Stammes, den die Ungunst der österreichischen
Verhältnisse ins fremde Erdreich versetzt hat,
hängt noch ein gut Teil warmer Heimaterde.
Wir werden, auch wenn er in Paris den Platz
erobert haben wird, der ihm jetzt schon aus
unmittelbarer Nähe winkt, nicht aufhören, ihn
als einen hervorragenden Vertreter der Wiener
Malerei von heute einen der unseren zu nennen.

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