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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

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M., K.: Der dekorative Ertrag der Pressa
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https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0360

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Der dekorative Ertrag der Pressa

teilung auch vom großen Publikum mit über-
raschender Andacht besucht wird, so ist das
vor allem künstlerischer Arbeit zu danken,
welche den fachwissenschaftlichen Stoff mit
Laune und Grazie zu bildhafter Allgemeinver-
ständlichkeit erhoben hat. Dies ist dadurch
erreicht worden, daß einfach mit großer Sorg-
losigkeit fabuliert wird: das Hildebrandslied
wird zur Abfolge von Glasbildern, ein Lied
Walters von der Vogelweide zum ausgesägten
Sperrholzband, die Schlachtorte des dreißig-
jährigen Krieges zu metallnen Türmen, die alt-
modischen Zeitschriftentitel des 18. Jahrhun-
derts zu grotesken Vitrinenpuppen. Die zahl-
reichen Künstler, die hier gemeinsam am Werke
waren, sind überraschender Weise geführt wor-
den von einer Frau: Burga von Wecus, der
Leiterin der Modellbildnerei der Pressa. So
verschiedener Art und Haltung die Arbeiten
der einzelnen Künstler auch sind, so sind sie
doch von einem gemeinsamen Geist inspiriert:
gedanklich Schweres mit Witz und Laune zum
sinnenfällig Bewegten zu erheben. In dieser
Weise gesehen, ist diese Abteilung der Pressa
eine geradlinige Fortsetzung der Gesolei, deren

Leistung es war, wissenschaftlich abstraktes
mit dekorativen Mitteln als Ausstellungsobjekt
einem großen Publikum eingängig zu machen.
(Burga von Wecus war bereits auf der Gesolei
mit bemerkenswerten Arbeiten vertreten.) Die
Leistung der Pressa ist ein Schritt voran in die-
ser dekorativen Bewältigung gedanklicher Aus-
stellungsobjekte schon darum, weil das Thema
der Pressa an sich weit geistiger ist als das der
naturwissenschaftlichen Gesolei.

Dies die Hauptsache, wenn man die Pressa
in der Linie der Ausstellungen der letzten Jahre
sehen will. Im einzelnen ließen sich natürlich
eine ganze Menge Dinge erzählen, ja wer will,
kann sich aus der Pressa eine ganze Entwick-
lungsgeschichte abendländischer Dekorations-
kunst herauslesen: von den mittelalterlichen
Miniaturen an, die in den Evangelarien der
Katholischen Sonderschau in ganz erlesenen Bei-
spielen zu sehen sind, über die Einblattdrucke der
kulturhistorischen Abteilung zu dem ausgezeich-
neten Bau der sozialdemokratischen Gewerk-
schaften (eine vortreffliche Arbeit von H. Schu-
mach er — Köln) und der alarmierenden Aus-
stellung der Sowjetrepublik im Staatenhaus. k. m.

CHARLOTTE RADNITZ-SCHROETTER—PRAG »ZIGEUNER«

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