SEIN GEMÄLDE .DER DURST« IN LA CARIDAD ZU SEVILLA.
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Für die Gattung von Darftellungen, die zwifchcn dem Genre und den religiöfen
Compofitionen höheren Ranges die Mitte hält, findet lieh eines der frappanteren
Beifpiele in der Gemäldereihe der Caridad: Mofes in der Wüfte, den Wafferquell
aus dem Felfen fchlagend. Die populäre Benennung deffelbcn, La sed (der Dürft),
ift in der That bczeichnenel. Mofes, eine würdige, aber nicht impofantc Geftalt,
fleht im Mittelplan des Bildes, an wenig hervorragender Stelle. ^) Das Haupt-
intereffe des Malers ging nicht auf ihn, fondern auf die Schilderung des diirftenden
Volks im Vordergrund; hier hat das vom Felfen in mehreren Quellen herab-
ftrömende Waffer einen kleinen Teich gebildet, zu dem die Dürftenden, mit den
Menfchen zugleich die Thiere, von beiden Seiten in aufgeregten Mafien hcran-
drätigen, alle im Ausdruck des Begehrens und der Befriedigung von fpreclicndftem
Leben ; die Einen find auf die Knie gcflürzt und fchöpfen mit der hohlen Hand,
Andere füllen ihre Krüge. Am flärkften ift die Bewegung in den gedrängten
Gruppen der linken Seite, die aber gleichwohl durch die glückliche Vertheilung
von Licht und Schatten durchaus überfichtlich erfcheinen. Wie wenig in der
Anordnung der Maffen an eine gefetzmäfsige Schönheit gedacht ift, zeigt hier
namentlich ein Pferd, das mit feinem umfänglichen Volumen breit und fchwer
einen grofsen Theil des Vordergrunds füllt. Ein lebhafter Junge, der auf feinem
Rücken fitzt, deutet, aus dem Bilde herausblickend, vergnügt auf das fprudelnde
Waffer; anziehend und rührend ift inmitten des drängenden Haufens befonders
eine Mutter, die ihre fchmachtenden Kinder tränkt. Die Wirkung des Wunders
als folchen ift bei diefer Auffaffung des Vorgangs, in der Murillo an Herrera
el viejo, einem Schüler des Juan de las Roelas, fchon einen Vorgänger hatte,
nur in der dankenden Geberde des Mofes, in der Raunenden Bewegung einiger
der Nächftftehenden ausgefprochen. Die technifche Behandlung ift breit und
energifch, die Farbe von ungemeiner Klarheit, Wärme und Kraft.
Mehr noch als in der Auffaffung, liegt das Genreartige des Bildes im
Charakter der Darftcllung. Wenn Rafael im Burgbrand mit künftlerifcher Unfehl-
barkeit die Schilderung der Fliehenden und Rettenden zur Hauptfache macht
und das Wunder des Papftes, das an fleh malerifch nicht zu verfinnlichen war,
im Hintergründe nur andeutet, fo haben die Gehalten in Bildung und Geberde
eine Mächtigkeit und Gröfse, durch welche das Genreartige des Ereigniffes in
ein höheres Gebiet emporgerückt wird. Dies ftilgewaltigfte Genrebild, wid
Burckhardt es nennt'-), wirkt wie die Schilderung eines grofsen hiftorifchen Vor-
gangs, die Feuersbrunft im Borgo erfcheint wie ein tragifcher Moment in dem
Gefchick eines heroifchen Gcfchlechts. Murillo dagegen in der Darftellung jenes
Wunders in der Wüfte begnügt fleh mit einer Wirkung, die über die Grenzen
des Genrehaften nicht weit hinausgeht; fämmtlichc Figuren in den Schaaren des
Vordergrundes ftnd echte, höchfl lebendige Typen des niederen Volkes, von aus-
geprägt fpanifcher Phyfiognomie, nur im Coftüm nicht ftreng realiftifch.
Altteftamentliche Gegenftände, mit denen fleh die fpanifche Malerei über-
haupt fehl* feiten befafste, hat Murillo nur noch in wenigen Bildern behandelt:
eines ftellt Abraham mit den drei Engeln dar, ein anderes den Segen Jakob's, ein
drittes Rebecca undEliefar am Brunnen; das letztere, gegenwärtig imMufeo del
Prado zu Madrid, eine anfprechende idyllifche Scene, in der das Landfchaftliche
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Für die Gattung von Darftellungen, die zwifchcn dem Genre und den religiöfen
Compofitionen höheren Ranges die Mitte hält, findet lieh eines der frappanteren
Beifpiele in der Gemäldereihe der Caridad: Mofes in der Wüfte, den Wafferquell
aus dem Felfen fchlagend. Die populäre Benennung deffelbcn, La sed (der Dürft),
ift in der That bczeichnenel. Mofes, eine würdige, aber nicht impofantc Geftalt,
fleht im Mittelplan des Bildes, an wenig hervorragender Stelle. ^) Das Haupt-
intereffe des Malers ging nicht auf ihn, fondern auf die Schilderung des diirftenden
Volks im Vordergrund; hier hat das vom Felfen in mehreren Quellen herab-
ftrömende Waffer einen kleinen Teich gebildet, zu dem die Dürftenden, mit den
Menfchen zugleich die Thiere, von beiden Seiten in aufgeregten Mafien hcran-
drätigen, alle im Ausdruck des Begehrens und der Befriedigung von fpreclicndftem
Leben ; die Einen find auf die Knie gcflürzt und fchöpfen mit der hohlen Hand,
Andere füllen ihre Krüge. Am flärkften ift die Bewegung in den gedrängten
Gruppen der linken Seite, die aber gleichwohl durch die glückliche Vertheilung
von Licht und Schatten durchaus überfichtlich erfcheinen. Wie wenig in der
Anordnung der Maffen an eine gefetzmäfsige Schönheit gedacht ift, zeigt hier
namentlich ein Pferd, das mit feinem umfänglichen Volumen breit und fchwer
einen grofsen Theil des Vordergrunds füllt. Ein lebhafter Junge, der auf feinem
Rücken fitzt, deutet, aus dem Bilde herausblickend, vergnügt auf das fprudelnde
Waffer; anziehend und rührend ift inmitten des drängenden Haufens befonders
eine Mutter, die ihre fchmachtenden Kinder tränkt. Die Wirkung des Wunders
als folchen ift bei diefer Auffaffung des Vorgangs, in der Murillo an Herrera
el viejo, einem Schüler des Juan de las Roelas, fchon einen Vorgänger hatte,
nur in der dankenden Geberde des Mofes, in der Raunenden Bewegung einiger
der Nächftftehenden ausgefprochen. Die technifche Behandlung ift breit und
energifch, die Farbe von ungemeiner Klarheit, Wärme und Kraft.
Mehr noch als in der Auffaffung, liegt das Genreartige des Bildes im
Charakter der Darftcllung. Wenn Rafael im Burgbrand mit künftlerifcher Unfehl-
barkeit die Schilderung der Fliehenden und Rettenden zur Hauptfache macht
und das Wunder des Papftes, das an fleh malerifch nicht zu verfinnlichen war,
im Hintergründe nur andeutet, fo haben die Gehalten in Bildung und Geberde
eine Mächtigkeit und Gröfse, durch welche das Genreartige des Ereigniffes in
ein höheres Gebiet emporgerückt wird. Dies ftilgewaltigfte Genrebild, wid
Burckhardt es nennt'-), wirkt wie die Schilderung eines grofsen hiftorifchen Vor-
gangs, die Feuersbrunft im Borgo erfcheint wie ein tragifcher Moment in dem
Gefchick eines heroifchen Gcfchlechts. Murillo dagegen in der Darftellung jenes
Wunders in der Wüfte begnügt fleh mit einer Wirkung, die über die Grenzen
des Genrehaften nicht weit hinausgeht; fämmtlichc Figuren in den Schaaren des
Vordergrundes ftnd echte, höchfl lebendige Typen des niederen Volkes, von aus-
geprägt fpanifcher Phyfiognomie, nur im Coftüm nicht ftreng realiftifch.
Altteftamentliche Gegenftände, mit denen fleh die fpanifche Malerei über-
haupt fehl* feiten befafste, hat Murillo nur noch in wenigen Bildern behandelt:
eines ftellt Abraham mit den drei Engeln dar, ein anderes den Segen Jakob's, ein
drittes Rebecca undEliefar am Brunnen; das letztere, gegenwärtig imMufeo del
Prado zu Madrid, eine anfprechende idyllifche Scene, in der das Landfchaftliche