Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
22

3. Nikodemus Tessin d. J.

Diese große Form ist vor allem der neue Zug, den Tessin d. J.
in die schwedische Architektur getragen hat. In ihr sind nicht allein
die letzten mittelalterlichen Erinnerungen, sondern auch die an die
Vielgliedrigkeit der nordischen Renaissance ausgelöscht. Immer
ist es eine zentrale Raumform, aus der der Bau entwickelt wird.
Es ist das Motiv von Palladios Villa Rotonda in der Dreifaltigkeits-
kirche zu Karlskrona; die Karolinische Grabkapelle an der Riddar-
holmskirche ist ein Kuppelbau über einem Quadrate mit abgerun-
deten Ecken; der Herrensitz Steninge ist, von Flügel- und Pavillon-
bauten entlastet, als geschlossener freier Block in eine breit und
heiter entfaltete Terrassen- und Parkanlage eingebunden. In der
Zielsicherheit und Kühnheit der Raumgestaltung erweist sich Tessin
überhaupt als echter Barockmeister. Sein eigener Stadtpalast, das
jetzige Oberstatthalterhaus, empfängt den Besucher mit einerFassade
von zurückhaltender Vornehmheit, überschüttet ihn im Innern mit
festlichem Glanze und entläßt ihn mit einer geistreichen Garten-
architektur, die durch einen perspektivischen Kniff die Raum-
vorstellung aus einem engen Hofgarten in geahnte Tiefen über-
führt. An der Südfront des Schlosses hat er das zerfallende Gelände
durch leicht konvergierende Wandungen und Einstellung der alten
Nikolai- oder Großkirche in den Blickpunkt in feste räumliche Ge-
stalt und Richtung gezwungen.
Das Königsschloß bildet Tessins Großwerk, nicht nur Schwedens,
sondern des ganzen Nordens imposantester Monumentalbau.
Ein mächtiges Viereck um einen Binnenhof lagert der Bau mit
kräftig betontem Horizontalismus als kompakte Masse auf seinem
Hügel. Die Lage ist alt, ihre Ausnutzung durch Individualisierung
der Fronten das Werk Tessins. Er hebt das Schloß angesichts der
Norderstadt und der zu ihr führenden Brücke durch eine monumen-
tale Auffahrtsrampe fürstlich empor, holt im Osten die weite schöne
Wasserfläche durch einen von niederen Flügelbauten umspannten
Gartenhof heran, stellt die in die Ferne wirkenden Fronten als
majestätisch einfache, um große Mittelakzente geschlossene Fluchten
ins Stadtbild und öffnet das Schloß an der Westseite, wo es der
Altstadt am nächsten tritt, durch einen in reicheren Formen behan-
delten Außenhof. Tessins Pläne griffen weiter: nach ihnen wäre
 
Annotationen