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6. Norwegische Kunst vom 16. bis zum 18. Jahrhundert

die darauf hinweisen, daß ihr tiefe nationale Forminstinkte ent-
gegenkamen. Jene Lust der altnordischen Kunst an phantasie-
reicher und schmuckvoller Belebung der Fläche, die sich bis tief
in die romanische Zeit hinein ausgewirkt, dann aber in das urtüm-
liche Haus des norwegischen Bauern geflüchtet hatte, bricht jetzt
nach langer Ruhepause mit erneuter Kraft aus und findet in der
strömenden Bewegung, der ruhelos drängenden Phantasie, der bi-
zarren Laune des Barockornaments ihren Pulsschlag wieder. Lieb-
lingsmotiv des norwegischen Barocks wird das Akanthusblatt, das
eine üppige dekorative Erfindung, bald in breitem Schwünge und
reicher Ausstattung, bald in zarterer Form und behutsamerer Be-
wegung, in immer neuen Verbindungen, Gruppenbildungen und
Rhythmen auszunutzen versteht. Wiederum sind es vor allem der
Holzschnitzer und der Maler, die die Stilbewegung tragen; in der
Land- oder Bauernkirche finden sie sich zusammen.
Seit dem 16. Jahrhundert wurden baufällige oder zu klein gewor-
dene Kirchen — darunter alte Stavekirchen — wiederhergestellt,
umgebaut, auch erweitert und neu ausgestattet. Im 17. Jahr-
hundert wird eine merkliche Belebung dieser Bautätigkeit erkenn-
bar; zugleich aber nahm, wie Anders Sandvig für einen Hauptbezirk
der bäuerlichen Kultur, für Gudbrandsdal feststellen konnte, das
etwa seit 1450 niedergegangene Zimmermannswerk, das Erbgut
dieses Schiffsbauervolkes, einen frischen technischen Aufschwung;
eine hohe, oft vollendete Material- und Arbeitsgerechtigkeit adelt
diese schlichten Bauernkirchen. Aber nun bemächtigt die neue
Schmuckfreude sich ihrer schweren Formen. An Kanzel, Gestühl,
Emporenbrüstungen löst sie der Holzschnitzer durch Gliederungen
und Füllungen; den Choreingang krönt, den in derbem Bauernbarock
gehaltenen Altar kränzt er mit reichem freiplastischem Schnitz-
werke; alle Teile der Ausstattung aber blühen in herzhaften Farben
auf unter der Hand des Malers, der zugleich über die Flächen der
Wände, Decke, Türen den vollen Reichtum seiner breiten Barock-
ornamentik ausschüttet. Diese Bauernkirchen, von denen etwa die
zu Nore und zu Opdal im Numedal als Beispiele genannt werden
mögen, üben in dem Gegenspiele der plastisch bewegten und farbig
erhöhten Formen zur massigen Wucht des vom Alter gebräunten
 
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