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7. Dahl

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phiert und vor allem durch kraftvolle Raumgestaltung und Licht-
führung die Einzelformen in den Bildrhythmus einschmilzt. Dahl
ist der erste gewesen, der das Antlitz der norwegischen Erde künst-
lerisch sichtbar gemacht hat. Seine Motive schöpfte er aus der ihm
vorzugsweise vertrauten Landschaft Westnorwegens, von ihren
heiteren Talbreiten bis zu den Wildnissen des Hochgebirges. Die
Haltung seiner Kunst ist männlich, ernst und selbst herb. Er sah
die Natur nicht als erstarrtes Bild, sondern als bewegten Vorgang:
das lädt seine Bilder mit einer inneren dramatischen Spannung.
Schwere unruhige Himmel drücken auf die Landschaft, das Licht
rührt die Formen auf und spannt sie wieder zusammen, mit elemen-
tarer Kraft tobt der Wildbach gegen die Felsen, mit unwidersteh-
licher Masse quillt der Gletscher aus dem Bergesschoße. In allem
bewährt sich ein starkes Gefühl für das Organische der Natur-
erscheinungen; seine Berge, seine Bäume sind gewachsene, im Kampf
der Elemente gestaltete Gebilde, und so kann man auch wohl im
ganzen die Stimmungen seiner Bilder organisch nennen: es sind
nicht romantische Schauspiele, sondern natürliche Lebensformen
der Landschaft. In einem Meisterwerke, wie der „Birke im Sturm“
von 1849 steigert sich Dahls Naturschilderung bis zur Höhe des
Symbolischen: so wie diese Birke, zäh im kargen Felsboden ein-
gewurzelt, hoch überm Abgrunde dem wild an ihr reißenden Sturme
standhält, so hat Björnson in Norwegens Nationalhymne das Land
selbst charakterisiert, das „zerrunzelt und wetterzerbissen aus dem
Wasser“ auf steige.
In den Erinnerungen von Ludwig Richter, von Friedrich Preller
und Louis Gurlitt klingt noch das gewaltige Aufsehen nach, das
Dahls „schlagende Naturwahrheit“ unter der deutschen Künstler-
jugend erweckte. Daß sein Einfluß auf Blechen und über ihn wohl
auch auf Menzel gewirkt hat, ist besonders durch Kern wahrschein-
lich gemacht worden; er wäre vermutlich weiter gedrungen, wäre
der Dresdener Lehrstuhl für Landschaftsmalerei ihm und nicht
Ludwig Richter übertragen worden. So blieb Dahls Lehrkraft, die
gerade damals für die deutsche Kunst hätte etwas bedeuten können,
unausgenutzt, und diese seine Isolierung wird dadurch fast ins
Tragische gesteigert, daß er auch in seiner Heimat keine Schule hat
 
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