Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
68 10. Der moderne Durchbruch in der schwedischen Malerei

durchs Halblicht eines Treppenhauses hinabsteigt, oder den Vor-
sitzenden des Schwedenvereins in Paris, wie er, ganz behagliche
Laune, das Glas zum Trinkspruche erhebt, so steigert er das All-
tägliche zum Lebensfeste. Aber vor allem liebt er das Fleisch.
Daheim in Mora wird er nicht müde, die Bäuerinnen zu malen: ältere,
deren Körper schon überreif ist, Mädchen in der vollen Blüte des
Leibes oder halbwüchsige, deren Reize noch im Knospen sind.
Diese geraten ihm leicht etwas süßlich, denn es ist vor allem das
Dralle, Derbe, Üppige, was ihn anzieht. Er malt seine Weiber auf
den Klippen des Strandes, beim Bade daheim und in der blanken
See, im Feuerscheine des Kamins, im Boote, im Walde; er malt sie
einzeln oder in Gruppen: er schmeichelt seinen ländlichen Schön-
heiten nicht, aber die lichtgebadeten blonden Körper strahlen in
strotzender triumphierender Lebensfülle. Das ist der Zorn von Mora,
das ist das Rubenshafte in ihm, aber daneben hat er auch einen
gefährlichen van Dyckschen Zug zum Eleganten, Raffinierten, ja
selbst Geleckten, und das ist der Zorn der großen Welt, der Mode-
porträtist, den sich die amerikanischen Finanzmagnaten übers
Wasser holten. Zorn hat besonders in seiner früheren Zeit Bild-
nisse geschaffen, in denen sich, wie in dem Coquelinporträt von 1887,
höchste Eleganz des Vortrages mit geistreicher Charakteristik ver-
bindet, und kaum wird es ein Porträt von ihm geben, in dem sich
nicht ein paar ausgesuchte malerische Feinheiten fänden; aber je
mehr sich der Betrieb seiner Bildnismalerei auswuchs, um so häu-
figer ertrinkt die Charakteristik in einer leeren Virtuosität. Er gibt
seinen Modellen alles, was sie wünschen, den Männern die noble
Haltung der großen Welt, den Frauen die Überlegenheit einer ihrer
Macht sich wohlbewußten Schönheit; er liefert prächtig repräsen-
tative Salonstücke — allein alles bleibt blendende Oberfläche. So
konnte es geschehen, daß dieser Künstler, der durch die prachtvolle
Vitalität seiner malerischen Handschrift, durch seine Meisterschaft
in der Behandlung des Farbkörpers und durch die Blutfülle seiner
Anschauung Europas Bewunderung im Sturme gewonnen hatte, in
seinen älteren Tagen fast zur künstlerisch zweideutigen Figur herab-
sank. Dagegen hat er als Radierer sich auf seiner Höhe erhalten.
Bildnis und Akt lieferten ihm auch da die Motive, viele seiner
 
Annotationen