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10. Der moderne Durchbruch in der schwedischen Malerei

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Gemälde hat er als Radierungen wiederholt und dabei ihre male-
rische Form mit erstaunlicher Kühnheit und Sicherheit in die
Sprache der Schwarzweißkunst übertragen. Ohne feste Begrenzung
lösen sich die Formen und schwingen im Lichte: dem meisterlich
behandelten Grunde werden intensive Lichtwirkungen abgewonnen,
parallel oder kreuzweis geschichtete Strichlagen sammeln oder ver-
teilen die Dunkelheiten; Helligkeit und Dunkelheiten durchdringen
sich zu einem schwebenden und dennoch festen Gewebe, und ein
rege vibrierendes, an keinem Punkte stockendes malerisches Leben
durchpulst die Blätter bis in die feinsten Teile.
Eine eigene Stellung unter den Figurenmalern nimmt Carl Wil-
helmsson (geb. 1866) ein. Er ist der Maler der Bauern der west-
schwedischen Landschaft Bohuslän, die Norwegen benachbart ist
und lange zu Norwegen gehört hat, und seine Kunst hat mit der der
Norweger größere Verwandtschaft als die eines anderen Schweden.
Er malt seine heimatlichen Bauern in ihrem Heim, in der sommer-
lichen Landschaft am Meere, beim Kirchgänge oder der Kirchfahrt
im Boote. Es sind stille verschlossene Menschen, Glieder und Züge
gehärtet von der Arbeit, und etwas von dieser Härte hat auch Wil-
helmssons Malerei. Sie ist von unbeirrbarer Sachlichkeit, ernst und
gediegen, zurückhaltend im Seelischen, frei von Sentimentalität,
aber auch bar der Freudigkeit. Licht und Farben sind stark, doch
ohne Glanz und ohne Wärme. Wilhelmssons herber Naturalismus
steht an einem äußersten Pole der schwedischen Kunst dieses Zeit-
raumes— am entgegengesetzten steht Olof Sager Nelson (1868—95).
Hier meldet sich die Mystik eines schmerzhaft erregten Gefühls-
lebens, das sich nicht mehr in den Naturformen erfüllen und be-
ruhigen will, sondern sie heftig in sich reißt, sie mit dunkler Leiden-
schaft lädt und alle Bildelemente zu Ausdrucksformen umschmilzt.
Trauer, Sehnsucht, Einsamkeit beherrschten die Seele des Früh-
erkrankten, Frühdahingegangenen; Trauer, Sehnsucht und Einsam-
keit beherrschen seine Bilder. Brügge wird ihm zur toten Stadt,
deren Häuser und Gassen in bedrückendem Dämmer einen dumpfen
Traum träumen. Seine Menschen haben etwas Gespenstisches, nur
Halbwirkliches; die Körper sind ohne Gewicht, die Seele scheint
von ihnen sich lösen zu wollen, aus tiefen Dunkelheiten tauchen
 
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