11. Durchbruch und Neuromantik in Norwegen
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Eine andere große Hoffnung der Münchener Zeit hielt nicht ganz,
was sie versprach. Das war Hans Heyerdahl (1857—1913), der als
Siebzehnjähriger nach München kam, dort als Wunderkind be-
staunt wurde und auch wirklich erstaunliche Proben eines großen
und frühreifen Talentes gab. Seine blonde Magdalena, deren elfen-
beinerner Körper aus grüner Decke schimmert, ist ein prächtiges
Atelierstück von verführerischem Schmelze, und das Bildnis der
Schauspielerin Laura Gundersen ist groß gefaßt und malerisch im
Stile Leibis glänzend durchgeführt. Dann ging er nach Paris und
tauchte in die naturalistische Strömung; es gibt frische Freiluft-
studien und -landschaften von ihm. Aber ausfüllen konnte ihn der
Naturalismus doch auch nicht, denn im Grunde war er romantisch
veranlagt, und als er von 1882—84 in Italien weilte, gewann Böcklin
starken Einfluß auf ihn. So bietet er schließlich das Bild einer
reichen Begabung, die ihren Schwerpunkt nicht finden konnte, und
nicht nur seinem Schaffen im ganzen, sondern auch seinen einzelnen
Werken haftet oft etwas Schwankendes, Unentschiedenes an, wie
z. B. der großen Landschaft „Asgaardsstrand“, die durch den ans
Boot gelehnten, in die lichte Sommernacht ausblickenden Fischer
einen leicht sentimentalen Klang erhält. Aber er hat zuweilen,
wie im Bildnisse der Frau Bratland, einen feinen sinnlichen Reiz,
dem man in der norwegischen Malerei nicht oft begegnet.
Auch Gerhard Munthe (geb. 1849) war eine bewegliche und
empfängliche Natur. Er folgte seinem Vetter Ludwig Munthe nach
Düsseldorf und schulte sich später in München vornehmlich an den
alten Holländern. Was aber für sein Schaffen als Landschaftsmaler
bestimmend wurde, das war sein sehr intensives und unmittelbares
Verhältnis zur norwegischen Natur, insonderheit zu der seiner
engeren ostnorwegischen Heimat. In der selbständigen Behandlung
ihrer Motive zählt er zu den Bahnbrechern seiner Generation. Seine
Landschaften haben etwas Intimes — freilich nicht im Sinne der
paysage intime, deren Stil die mächtige Urnatur Norwegens wider-
strebt, wohl aber durch die besonders innige Einheit des Künstlers
mit seinen Vorwürfen. Sie sind ihm nicht nur malerische Probleme,
sie sind ihm Heimatserlebnisse; die Objektivität der Freiluftmalerei
wird erwärmt durch eine liebende und zuweilen fast zärtliche Ver-
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Eine andere große Hoffnung der Münchener Zeit hielt nicht ganz,
was sie versprach. Das war Hans Heyerdahl (1857—1913), der als
Siebzehnjähriger nach München kam, dort als Wunderkind be-
staunt wurde und auch wirklich erstaunliche Proben eines großen
und frühreifen Talentes gab. Seine blonde Magdalena, deren elfen-
beinerner Körper aus grüner Decke schimmert, ist ein prächtiges
Atelierstück von verführerischem Schmelze, und das Bildnis der
Schauspielerin Laura Gundersen ist groß gefaßt und malerisch im
Stile Leibis glänzend durchgeführt. Dann ging er nach Paris und
tauchte in die naturalistische Strömung; es gibt frische Freiluft-
studien und -landschaften von ihm. Aber ausfüllen konnte ihn der
Naturalismus doch auch nicht, denn im Grunde war er romantisch
veranlagt, und als er von 1882—84 in Italien weilte, gewann Böcklin
starken Einfluß auf ihn. So bietet er schließlich das Bild einer
reichen Begabung, die ihren Schwerpunkt nicht finden konnte, und
nicht nur seinem Schaffen im ganzen, sondern auch seinen einzelnen
Werken haftet oft etwas Schwankendes, Unentschiedenes an, wie
z. B. der großen Landschaft „Asgaardsstrand“, die durch den ans
Boot gelehnten, in die lichte Sommernacht ausblickenden Fischer
einen leicht sentimentalen Klang erhält. Aber er hat zuweilen,
wie im Bildnisse der Frau Bratland, einen feinen sinnlichen Reiz,
dem man in der norwegischen Malerei nicht oft begegnet.
Auch Gerhard Munthe (geb. 1849) war eine bewegliche und
empfängliche Natur. Er folgte seinem Vetter Ludwig Munthe nach
Düsseldorf und schulte sich später in München vornehmlich an den
alten Holländern. Was aber für sein Schaffen als Landschaftsmaler
bestimmend wurde, das war sein sehr intensives und unmittelbares
Verhältnis zur norwegischen Natur, insonderheit zu der seiner
engeren ostnorwegischen Heimat. In der selbständigen Behandlung
ihrer Motive zählt er zu den Bahnbrechern seiner Generation. Seine
Landschaften haben etwas Intimes — freilich nicht im Sinne der
paysage intime, deren Stil die mächtige Urnatur Norwegens wider-
strebt, wohl aber durch die besonders innige Einheit des Künstlers
mit seinen Vorwürfen. Sie sind ihm nicht nur malerische Probleme,
sie sind ihm Heimatserlebnisse; die Objektivität der Freiluftmalerei
wird erwärmt durch eine liebende und zuweilen fast zärtliche Ver-