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11. Durchbruch und Neuromantik in Norwegen

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dernen Problemen des Naturalismus und des Sozialismus erfüllt
war. Seine reich organisierte Persönlichkeit, deren Begabung und
Interessen sich über die Grenzen der Malerei hinaus erstreckten,
sog die Anregungen dieses Kreises in sich; er durchdrang sich mit
der Überzeugung der sozialen Aufgabe der Kunst, die er später
seinen Landsleuten verkündigte, und es ist wohl auf die dauernde
Wirkung der Berliner Zeit zurückzuführen, daß Krohg unter den
Künstlern des Durchbruchs der Menschenschilderer par excellence
geworden ist. Dann ging er nach Skagen, wo sich um Kröyer und
Michael Ancher die bekannte dänische Malerkolonie gebildet hatte;
er lernte hier eine breitere und flüssigere Pinselführung und faßte
eine Vorliebe für die See und ihre Menschen: Fischer und Fischer-
leben, Lotsen auf ihren Booten oder an Bord der Seeschiffe hat er
oft gemalt. Ein Aufenthalt in Frankreich (1880) vollendete seine
Ausbildung. Strammer Naturalist seinem Bekenntnisse nach hat
er sich im Kolorit persönliche Haltung gewahrt. Gern gruppiert er
die Farbe um einige starke Klänge, die er durch ein fein abgestuftes
System von Zwischentönen bindet und instrumentiert; Bilder, wie
die schlafende Mutter am Bette des Kindes, wirken wie festliche
Blumensträuße. Krohg hat die soziale Note in die norwegische
Malerei gebracht. Er schilderte 1890 in dem Aufsehen erregenden
Bilde „Der Kampf ums Dasein“ die Ärmsten, die in der bleichen
Dämmerung des Morgens sich vor einem Bäckerladen der Groß-
stadt drängen; er malte die Näherin, die nach durchwachter Nacht
im Tagesgrauen über ihrer mühseligen Arbeit eingeschlummert ist;
auch sein sozialer Roman „Albertine“ hat ihm die Motive zu einigen
Bildern geliefert. Mit dem modellhaft-photographischen Charakter
dieser Kompositionen kann selbst Krohgs geistvoller Kolorismus
nicht immer versöhnen, aber aus dem Ganzen seines Lebenswerkes
spricht eine herzhafte, in Gelingen und Versagen entschiedene
männliche Persönlichkeit, und durch sie hat Krohg auf das heran-
wachsende norwegische Künstlergeschlecht, das ihn gern als Lehrer
suchte, eine bedeutende Wirkung ausgeübt.
Ließ sich dieser impulsive Künstler durch seine literarischen
Neigungen leicht zu Seitensprüngen verleiten, so wurde die reiche
Begabung Erik Werenskiolds (geb. 1855) von einem festen Willen
 
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