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15. Bildnerei und Baukunst in Schweden

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chen“. Den Marmor behandelte er mit sinnlicher Feinfühligkeit,
immer schmeicheln seine Schöpfungen durch gefälligen Fluß, aber
es haftet ihnen doch auch leicht ein Zug des Salonhaften an. Chri-
stian Eriksson (geb. 1858), der noch in Hasseibergs Werkstatt in
Paris gearbeitet hat, ist herzhafter in seiner Kunst, er faßt seine
Aufgaben natürlich an, seine leicht spielende Erfindung ist wohl-
diszipliniert, sein Sinn für die Forderungen des Materials sicher ent-
wickelt. Er liebt den bewegten Körper etwa einer Garbenbinderin
oder eines Schlittschuhläufers, aber immer ordnen und runden sich
die Formen zu einer liebenswürdigen Anmut, die in der Holzfigur
des auf den Zehen tanzenden Mädchens (1903) sich zu seltener
Grazie steigert. Reich ist seine Wirksamkeit auf dem Gebiete der
dekorativen Bildnerei; in den Sockelgruppen an den Flaggstangen
für Saltsjöbaden (1904/05), für die er Sommer- und Winterleben als
Motiv gewählt hat, hat er die Wirklichkeit in eine Sphäre idealer
Heiterkeit und beglückten Lebensgefühles erhoben.
Der anerkannte Großmeister der modernen schwedischen Bild-
nerei ist Carl Milles (geb. 1875). Seine künstlerische Persönlichkeit
ist nicht leicht zu fassen. Er ist extensiv und sehr wandlungsfähig.
Sein Schaffen umfaßt alle Gebiete der Bildnerei, vom Großdenk-
male bis zum Genre, vom Bildnisse bis zur dekorativen Skulptur.
Er bewältigt jedes Material und weiß seine Form jedem anzupassen.
Auf jede Aufgabe wirft er sich, gleichsam stets von neuem be-
ginnend, mit unverwüstlicher Frische; jeder gewinnt er originelle,
oft kühne Lösungen ab, und es gibt kein einzelnes Werk, in dem
man den ganzen Milles hätte. Ursprünglich wurzelt seine Form
gleich der Vigelands in einem entschlossenen, mit malerischen Wir-
kungen arbeitenden Naturalismus, aber wenn in der sublimierten
Empfindung und dem Vertikalismus des Norwegers ein gotischer
Blutstropfen lebt, so könnte man Milles’ von Grübelsinn minder
beschwerte, von breiterem, blutvollerem Lebensgefühle getragene
Kunst eher dem Schlage des Barocks beizählen. In seine Entwick-
lung hat, besonders während seiner Pariser Studienjahre 1897—1904,
der Impressionismus eine tiefe Spur geprägt. Die in flüssigen Kurven
aufgebaute „Serpentintänzerin“ von 1901, die rhythmisch bewegte
Gruppe der drei gegen Regen und Wind kämpfenden Frauen, die
 
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