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15. Bildnerei und Baukunst in Schweden

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sicher und leicht in die auf drei Seiten vom Wasser umspülte Halb-
insel am Eingänge des Tiergartens ein, und der inneren Raumbil-
dung ist durch eine durchlaufende Querhalle Halt gegeben. Zur
Zeit der Vollendung dieses Baues (1906) war freilich bereits ein
neues Architektengeschlecht auf den Plan getreten, das über Clason
hinauszukommen strebte, indem es sich entschiedener von den ge-
schichtlichen Elementen ablöste und sich um die Ausbildung mo-
derner Bauformen bemühte. Man experimentierte viel, man pro-
bierte die Wirkungen der Baustoffe aus; den Schöpfungen dieser
Übergangszeit haftet leicht etwas Angestrengtes an. Die Bauten
des vielseitig begabten Ferdinand Boberg (geb. 1860), von dem
u. a. die Hauptpost und das Rosenbadhaus in Stockholm herrühren,
wurzeln in einem gesunden architektonischen Realismus und sind
verständnisvoll in Straßenflucht und Stadtraum eingegliedert, indes
sind seine Formen schwer und selbst dick, die Flächen ohne orga-
nisches Leben, die Umrisse ohne Feinheit.
Aber im neuen Jahrhundert begann sich eine schwedische Bau-
schule zu entwickeln, in der eine eigentümliche, mehr und mehr
sich befestigende und verwirklichende Formgesinnung zur Aus-
bildung gelangte, und die durch ihre Leistungen der modernen
schwedischen Architektur eine bedeutende Stellung sichert. Auch
sie knüpfte wohl an die Überlieferung, und zwar an die einheimische
Überlieferung, an, aber anders war hier der Geist, in dem dies
geschah. Denn das Bestreben richtete sich jetzt darauf, von den
historischen Stilformen auf die räumlich-plastischen Vorstellungen
selbst zurückzugehen, aus denen sie erwachsen waren, und aus ver-
tieftem Studium der nationalen Baugeschichte der in ihr wirkenden
und sie gestaltenden geistigen und formalen Kräfte habhaft zu
werden. Und in der Tat ist es auf diesem Wege der zähen Arbeit
einer Reihe von begabten Architekten gelungen, aus den Wurzeln
der schwedischen Tradition selbst Schöpfungen zu entwickeln, in
denen nordisch-schwedisches Kunstwollen sich selbständig mit
modernen Bauaufgaben auseinandergesetzt hat. Als ein Übergangs-
werk des neuen Stils ist Carl Westmans Rathaus für Stockholm
(1912—1915) zu bezeichnen. Das Vorbild lieferte ihm jene noch halb
mittelalterliche Form der Renaissance, wie sie etwa das Schloß
 
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