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16. Ein Rückblick

erster Linie doch wohl in ihren Leistungen auf dem Gebiete der
Architektur zu suchen. Es ist für ihr Schicksal entscheidend ge-
worden, daß sie in der Großzeit der neueren europäischen Baukunst,
im Barock, Gelegenheit gefunden hat, sich im Schloß- und Kirchen-
bau, in Stadt- und Gartenanlagen selbständig mit den Problemen
der Raumgestaltung auseinanderzusetzen. Daran hat sich ihr starkes
räumliches und plastisches Gefühl, daran ein entschiedener Wille
zum Formgesetze, zum Stile gebildet. Und so hat sich auch die
schwedische Malerei im Naturalismus nie recht zu Hause gefunden.
Auch sie sucht nach Stil. Kaum hat sie sich nationalisiert, so be-
ginnt sie, Farbe und Linie zu stilisieren, strebt sie darnach, das Bild
in eine ideale Beziehung zum Raume zu setzen und es ihm als
schmückendes Glied einzufügen.
In Norwegen dagegen haben die europäischen Stile dreier Jahr-
hunderte immer nur die Oberfläche berührt, ohne in die geistige
Substanz der nationalen Kultur einzugehen. Die Volkskunst des
18. Jahrhunderts, in der sich das Kunstvermögen zum ersten Male
nach dem Mittelalter wieder schöpferisch bewährte, war freilich
vom Barock gespeist, aber ihrer Wesenheit nach war sie das Erzeug-
nis nationaler Urkräfte, die nach langem Ruhestande mit eins
reich in Trieb und Blüte schossen, um dann unter der Umlagerung
der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse wieder zu versickern.
So tritt die norwegische Kunst in die Zeit ihrer selbständigen Ent-
faltung arm an Vorerlebnissen, aber reich an frischer Naturkraft.
Sie zeigt sich fremden Einflüssen gegenüber wählerischer als die
schwedische Kunst; den Austausch mit der Antike und der ita-
lienischen Formenwelt hat sie überhaupt verweigert. Sie hat,
summarisch gesprochen, eine eigene Baukunst überhaupt nicht,
eine Bildnerei erst in allerjüngster Zeit hervorgebracht. Die Stärke
der nationalen Begabung liegt unverkennbar auf der Seite des
Malerischen, die Geschichte der neueren norwegischen Kunst ist
in erster Linie Geschichte der norwegischen Malerei. Dabei ist deren
Umkreis scharf begrenzt. Die religiöse Malerei, die Geschichts-
malerei, mythologische oder allegorische Darstellungen, kurz: alle
jene Gattungen, in denen die Kunst die geistigen Erlebnisse der
europäischen Menschheit in idealen Spiegelungen zu sammeln ver-
 
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