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167

Zwei verschiedene Sorten Sünder.
In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erschien
zu Chemnitz ein Communionbuch: Der mit bußfertigem
Herzen seinem Gott sich nahende Sünder, welches
sich in ganz Sachsen und über dessen Gränzen hinaus, schnellen
Eingang bei allen frommen Gemüthern verschaffte, so daß der
Verleger Auflage über Auflage davon drucken mußte und durch
das schlichte Gebetbuch zum reichen Mann wurde. Wie man
aber des Herrn irdischen Segen nicht in Ewigkeit genießen kann,
mußte auch der Buchhändler in Chemnitz an sich erfahren, denn
trotz seines Reichthums, mußte auch er sein Haupt senken, er
war ein stiller Mann geworden und die schwarzen Männer ka-
men und trugen ihn hinaus in das kühle Bett, in welchem die
müden Schläfer, mit Erde zugedeckt, dem Tage des Gerichtes
entgegenträumen. Da er sonstige Erben für sein einträgliches
Geschäft nicht hinterließ, so wurde sein Verlag zerstreut und
ein Buchdrucker in Zwickau war der Glückliche, in dessen Besitz
der bußfertige Sünder nebst Verlagsrecht überging.
Dazumal hatte die neue Aufklärung schon begonnen, die
schöne Sprache der Belletristen war einzelnen Theologen ge-
läufig geworden und der Rationalisinus zeigte sich in Schriften,
auf dem Lehrstuhl und sogar schon auf der Kanzel. Wie alle
Jünger Gutenberg's für den Fortschritt glühend, war auch
unser Zwickauer von der neuen Aufklärung sortgeriffen worden
und ließ es sich auf das Wärmste angelegen sein, sein neues
Eigenthum, den bußfertigen Sünder, im Sinne und Geiste der-
selben neu bearbeiten zu lassen, zweckmäßig zu vermehren und
erwartete mit stillem Lächeln und großer Selbstzufriedenheit die
reiche Ernte, welche ihm sein kluger Einfall einbringen sollte.
Aber, o Schrecken! Die erwartete reichliche Ernte blieb
aus. Der bußfertige Sünder in seiner neuen Gestalt gefiel
nur einzelnen wenigen starken Geistern, die Leute von altem
Schlag schüttelten entsetzt die Häupter über ihn, die Geistlichen
warnten von der Kanzel vor dem neuen Zwickauer Sünder,
wie vor einer neuen Sorte Gift, und die Landleute, die haupt-
sächlichsten Käufer des Buches, mochten von dem Zwickauer
Sünder nichts wissen. An den Buchhändler hörte die Nach-
frage aus; nur bei den Antiquaren suchte man das Buch eifrig;
und wie der schlichte Sinn der Landleute bald die richtigen
Kennzeichen an einer Sache herausfindet, sah man stets, bevor
man den Beutel zog, nach dem Titelblatte des Buches. War
es mit dem Druckorte Chemnitz versehen, so gab man, was der
Antiquar nur verlangte, denn man war so glücklich gewesen,
den ächten Sünder zu erwischen; stand aber Zwickau auf
dem Titelblatte, so zweifelte man stark, ob der Zwickauer Sün-
der auch ein richtiger Sünder sei, und behielt sein Geld.
Unter solchen Umständen blieb dem Buchdrucker, wenn er
sonst sein an den Erwerb des Sünders gewandtes Kapital nicht
verloren geben wollte, kein anderer Ausweg, als den bußferti-
gen Sünder wieder in seiner alten ursprünglichen Gestalt auf-
zulegen und sogar statt seiner, bei dem frommen Landvolk in
Mißkredit gekommenen Firma, dem Buche als Begleitschein und
Zeugniß seiner Aechtheit, die alte, cingegangene Chemnitzer

Firma beizufügen, nebst der Jahreszahl der letzten Chemnitzer
Auflage. Nun hatte er seinen Zweck erreicht bis auf die un-
angenehmen Verwechslungen von Seiten seiner Besteller, da er
den Zwickauer Sünder, der inzwischen auch ein kleines Publi-
kum gefunden hatte, immer noch neben dem neu. gedruckten
Chemnitzer fortführte. Um nun auch diesen Mißstand zu be-
seitigen und allen Verwechslungen vorzubeugen, zeigte er durch
ein Rundschreiben seinen Geschäftsfreunden an, daß sie hiefür
bei Einsendung ihrer Aufträge genau zu bestimmen hätten, ob
sie den alten Chemnitzer Sünder, oder den vermehr-
ten und verbesserten Zwickauer Sünder begehrten.
Obgleich das nun schon zur Zeit unserer Großväter ge-
schehen, so wirkt es doch fort bis aus unsere Tage; denn wenn
Du, freundlicher Leser, in Sachsen aus einem Jahrmärkte in
eine Buchbinderbude trittst und einen Sünder verlangst, so wird
Dich stets der Buchbinder belehren, daß es zwei Sorten Sün-
der gibt, als da sind: Chemnitzer alte Sünder, und Zwickauer
vermehrte und verbesserte Sünder.

Meldung eines Unteroffiziers der Thorwache.
„Der Unterzeichnete meldet gehorsamst, daß heute Nacht
vor dem Zeller-Thore eine Palissade aus Faulheit umfiel."

Sonderbarer Befehl.
Vom Landwehr-Commando in W. wurde bei einer vor-
habcnden Parade, da wegen zweifelhafter Witterung vorher !
picht bestimmt werden konnte, ob in blauen oder weißen Bein-
kleidern auszurücken sei, der Befehl gegeben: „Wenn es Ge- !
neralmarsch schlägt, so rückt das Bataillon in der Hose des !
Tambours aus."

Lakonismus.
Als ein Verbrecher sich im Gefängniß aufgehängt und der
Richter den Gefangenwärtev darüber mit den Worten zur Rede
gestellt hatte: „Verdammt! ist er todt!?" — erwiderte der
Schließer: „Ja, todt und verdammt."

Neue Nechnungsweife.
„Wie lange bist Du mit Deiner Frau verheiratet?"
„64 Jahre."
„Wie? 64 Jahre? Das ist ja gar nicht möglich; wie
alt bist Du denn?"
„57 Jahre."
„Und willst 64 Jahre verhcirathet sein, alter Spaßvogel?"
„O ja, — Kriegsjahre zählen doppelt!"
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