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Das Er amen.

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ehe es möglich war, daß Louise aus seinem Muuve sein Glück
erfahren konnte.

Nach den unumgänglichen Besuchen und Geschäften traten
am anderen Tage Vater und Sohn die Reste in die Hcimath
an. Viel gesprochen wurde dabei, wenigstens mit dem Munde,
nicht, aber um die Züge des Alten spielte jenes Lächeln des

Vater sich hätte verkünden lassen, aber in solchen Momenten
brechen alle Schranken, in welche die Etikette und der sogenannte
gute Ton den Menschen cingckreist hat und kaum hatte der
Wagen vor dem Gartenthor gehalten, als sich zwei glückliche
Menschen sprachlos umfaßt hielten.

Eine eben so glückliche Gruppe bildeten die beiden alten

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Glücks und der Zufriedenheit und je mehr sie sich der Heimath
näherten, desto stolzer und freudiger hob der Greis sein Silber-
haupt aus der bescheidenen Kalesche in die Lüfte, desto erwart-
ungsvoller klopfte dem Heinrich das Herz in der Brust.

Aber cs hob sich an selbigem Tage noch ein anderes Herz
unter dem keuschen Busen in schnelleren Schlägen, nur daß bei
diesem Herzen die sichere Hoffnung mit dem Bangen des Zweifels
und der Angst in raschen Sätzen wechselte. Schon einige Male
des Nachmittags war Louise in das Giebelstübchen geeilt, aus
dessen Fenster man die Straße, die in das Dorf führte, in
ziemlicher Ferne beobachten konnte. Von fünf Uhr Nachmittags
hatte sie sich von dem Fenster nicht wieder getrennt. Da wirbelt
eine Staubwolke in der Ferne — mein Gott, cs war der
Nachbar Hans mit seinem Kühwagen. Aber dort kommt wahr-
haftig wieder ein Wagen — abscheulich, cs ist die Botenfrau
des nächsten Städtchens mit ihrem Schicbbocke. Am Ende
kommen sic doch heute nicht, dachte Louischen, und ließ sinnend
das Köpfchen sinken. Bald aber wendete sich ihr Auge aber-
mals hinaus auf die Straße und nun — nein! das ist keine
Täuschung mehr, dort im Wagen sitzt der Heinrich mit seinem
Vater, sic kommen näher, der alte Kutscher treibt den müden
Gaul zu schnellerem Laufe an, jetzt erkennt sie deutlich die Ge-
sichtszüge, das Auge der Liebe sicht scharf, sic hat in einem
Nu auf dem Antlitz beider gelesen: der Heinrich hat die
Probe bestanden!

Wohl wäre cs vielleicht „anständiger" gewesen, wenn sie,
die ja noch nicht die Braut des Geliebten war, sich auf ihr
Stübchen zurückgezogen und dort die frohe Mähr von dein

Herren. Der Pastor verschlang mit einem wahren Heißhunger
die immer und immer wiederholten Berichte Heinrichs über den
Verlauf der Prüfung und im Pfarr- und Schulhaus zu Bo-
bcrsdorf sah man fortan nur fröhliche Gesichter.

Der Obcrconsistorialrath hielt übrigens redlich sein Wort.
Denn cs verlief kaum ein Jahr, als Heinrich zu einer Pfarr-
stellc in einem nahe gelegenen freundlichen Orte berufen wurde.
Bald darauf traute der alte Pastor das glückliche Paar in der
heimathlichcn Kirche und als Heinrich seine Louise in die nied-
liche Pfarre heimführtc, fühlte er sich glücklicher, als so mancher
! Jünger der Gottcsgelahrtheit, mit dem die treue Geliebte der
Jugend gealtert war, ehe sie zusammen einzichen konnten unter
das Dach der nährenden Pfarre.

Der alte Schullehrer wurde bald darauf pcnsionirt und
zog in das geräumige Pfarrhaus zu seinen geliebten Kindern.
Aber erst, als er den ersten Enkel überglücklich auf seinen
Kniccn schaukelte und eines Tages der Pastor zum Besuche zu-
gegen war, löste er dem staunenden Heinrich und dem überraschten
j Pastor das Räthsel seiner Bekanntschaft mit dem Obcrconsistorial-
rath und gab seine erbarmungswürdige Situation im Examen
und an der Tafel desselben zum Besten. Er brachte in Frieden
den Rest seiner Tage hin, erlebte noch die Freude, daß der
Obcrconsistorialrath dem Heinrich einen Besuch abstattcte, bei
welchem eS zu den launigsten Erklärungen kam, und schlief
endlich, die Schickungen des Himmels segnend, eines Abends
im Arme seiner Lieben sanft hinüber in daS Land der Seligen,
wohin ihm die treue Gefährtin feines Lebens schon längst vvr-
ausgcgangen war.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Examen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Liebespaar <Motiv>
Karikatur
Umarmung <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 28.1858, Nr. 662, S. 79
 
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