Vetter Andres.
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hatte cs mein Abkäufer satt mit dem Gute und kaufte sich ein
größeres in der Lausitz; die liegt da zwischen der Schlcsing und
Sachse», und weil ich ihn doch eigentlich mit meinem früheren
Gute beschummelt hatte, wie er mir sagte und ich es auch
fürchten mußte, so pachtete ich es ihm mit der Gottes Hülse
für einen ziemlichen Preis wieder ab, so daß er doch zuletzt
zufrieden sein konnte, und ich verlebte dann mit der Gottes
Hülfe recht glückliche Jahre."
„Na! Gott sei Preis und Dank!" athmete die Frau
Muhme auf, „und cs ging also vorwärts mit Dir, Vetter
Andres?"
„Ja! Frau Muhme, es ging mit der Gottes Hülfe immer
rasch vorwärts mit mir," versetzte er freudig, „bis ich zuletzt
nicht weiter konnte. Ich glaube, es wäre am Ende besser für
mich gewesen, wenn ich lieber mit der Gottes Hülfe etwas
rückwärts gegangen wäre. Aber der Mensch denkt und Gott
der Allmächtige lenkt."
„Na und da?"
„Ja, sseht die Frau Muhme," fuhr er fort, „wie ich
denn gar nicht mehr weiter vorwärts konnte, da verlief mir
derselbe gutherzige Mann, der ein reicher Gutsbesitzer in der
Lausitz geworden war, um mir wieder auf die Beine zu helfen,
einen funkelnagelneuen Gasthof, der zu seinem Gute gehörte,
für ein wahres Spottgcld."
„Einen Gasthof?" fragte die Frau Muhme voll Entsetzen.
„Ja! wie man's gerade nehmen will, Frau Muhme,
einen Gasthof und auch keinen. Es war eigentlich kein Gast-
Hof nicht, sondern eine Kartoffelspiritusbrennerci. Aber da das
Geschäft nicht ging, so machten wir einen Gasthof draus."
„Lag er denn an der großen Straße? forschte die Frau
j Muhme weiter.
„Ei! bei Leibe nicht, Frau Muhme," versetzte er eifrig,
„er lag weit hinter dem Gute so recht still und behaglich, wie
; ich's grade gern habe, und ein Grascgarten darum herum."
„Aber, Vetter Andres, Vetter Andres!" wandte die Frau
Muhme ein, „ein Gasthof muß doch an der großen Straße
liegen!"
„Ja, das wohl, Frau Muhme; aber cs gab ja bei dem
ganzen Orte keine große Straße, lauter schmutzige und garstige
Dorfwege."
„Nun? und da wurdest Du dann Gastwirth?"
„Da wurde ich denn mit der Gottes Hülse ein Gastwirth,
Frau Muhme, das heißt eigentlich, ich wurde cs und wurde cs
auch nicht, wic's die Frau Muhme beliebt. Ich richtete mich
mit der Gottes Hülfe recht schön ei», meublirte das Haus vom
Dach bis in's unterste Stockwerk hinunter recht elegant aus,
ließ von einem reisenden Maler, der 4 Woche» umsonst bei
mir logirtc, eine große goldene Sonne mit 25 Strahlen, —
das sollte meine Glückssonne vorstclle», Frau Muhme, — auf
ein blaues Schild malen, hing cs über die Thür, schaffte viel
Weißzeug und Glaswerk an, that Wein in den Keller und
Bier in die Fäßcr und hatte meine herzinnigliche Freude daran,
wie mit der Gottes Hülfe Alles so gut ging. Dem Waiscn-
Knaben zog ich ein grünes Collet mit blanken Knöpfen an
und band ihm eine grüne Schürze vor, worüber sich der kleine
Schelm schier todt lachen wollte. Er mußte mit der Gottes
Hülfe den Zimmerkellner machen, und seine Schwester die
Zimmermagd und Schenkjungfcr. Aber sicht die Frau Muhme,
die Sache war nur die, daß durchaus keine Gäste nicht kamen,
außer einigen Weinrciscnden aus dem Frankenlande, denen ich
doch immer ehrenhalber Wein abnehmcn mußte. Hin und
wieder gab ich denn einmal den Honoratioren und Herren
Geistlichen aus der Umgegend, — sie kamen drei Meilen weit
und ließen sich den Weg nicht verdrießen, — ein Tractcment,
um meinen Wein nicht unnütz im Keller zu haben, und diesen
Gästen gcficl's denn auch mit der Gottes Hülfe gar sehr in
meinem Hause. Aber zu aller allerletzt, das heißt so vor einem
Vierteljährchcn Hab ich den Gasthof wieder mit der Gottes
Hülfe meinen Schuldnern überlassen und . . . ."
„Deinen Schuldnern?" fragte die Frau Muhme zweifelnd.
„Na! was sag' ich denn da, Frau Muhme! eigentlich
nicht meinen Schuldnern, sondern meinen Borgcrern . . . oder
wie heißt man doch die Leute, denen man was schuldig ist,
Frau Muhme?"
„Du willst doch nicht sagen, Deinen Gläubigern, Vetter
Andres?"
„Gerade das wollt ich sagen, Frau Muhme. Ja! wie
gesagt, denen Hab' ich mit der Gottes Hülfe Gasthof, Pferde
und Wagen und Alles was drum und dran hing, überlassen."
„Aber mein Jesus, mein Jesus! Vetter Andres," fuhr
die Frau Muhme wie aus einem schweren Traume erwachend
nach einer Weile fort, „von alle dem hör' ich ja das erste
Wort!"
„Ja! ganz natürlich, Frau Muhme, ich habe ja auch
eigentlich Niemanden Nichts davon gesagt. Aber dcrowcgen
bin ich ja jetzt grade mit der Gottes Hülfe zu der Frau
Muhme gekommen, um es der Frau Muhme zu erzählen."
„Aber ich verstehe Dich nicht, Vetter Andres," fuhr die
gute Frau ungläubig fort, „warum hast Du denn, wenn Du
etwas schuldig warst, kcins deiner schönen Kapitalien gekündigt
und ausgenommen?"
„Das Hab' ich ja gethan, verehrte Frau Muhme, ei! das
Hab' ich wohl gethan!" rief er triumphirend in dem Glauben,
ganz in ihrem Sinne gehandelt zu haben. „Ja! das Hab' ich
mit der Gottes Hülfe schon vor Jahren gethan. Meine letzten
Capitalien Hab' ich schon beim Ankauf meines Gasthofs cingc-
zogcn, das heißt eigentlich nicht eingezogcn, sondern mit der
Gottes Hülfe in den Kauf gegeben. Für 100 Thaler in
Documcntcn habe ich immer ganzer 8l Thlr. 22 Sgr. bekommen.
Da Hab' ich sic denn natürlich ohne langes Besinnen alle
cedirt, wie sie's heißen und verkauft."
„Ist das möglich! Du hättest keine Capitalien mehr,
Vetter Andres?" rief die gute Frau Muhme, in voller Be-
stürzung ihre Hände über den Kopf zusammenschlagend, aus.
„Das kann ja gar nicht sei»! Besinne Dich doch nur!"
(Fortsetzung folgt.)
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hatte cs mein Abkäufer satt mit dem Gute und kaufte sich ein
größeres in der Lausitz; die liegt da zwischen der Schlcsing und
Sachse», und weil ich ihn doch eigentlich mit meinem früheren
Gute beschummelt hatte, wie er mir sagte und ich es auch
fürchten mußte, so pachtete ich es ihm mit der Gottes Hülse
für einen ziemlichen Preis wieder ab, so daß er doch zuletzt
zufrieden sein konnte, und ich verlebte dann mit der Gottes
Hülfe recht glückliche Jahre."
„Na! Gott sei Preis und Dank!" athmete die Frau
Muhme auf, „und cs ging also vorwärts mit Dir, Vetter
Andres?"
„Ja! Frau Muhme, es ging mit der Gottes Hülfe immer
rasch vorwärts mit mir," versetzte er freudig, „bis ich zuletzt
nicht weiter konnte. Ich glaube, es wäre am Ende besser für
mich gewesen, wenn ich lieber mit der Gottes Hülfe etwas
rückwärts gegangen wäre. Aber der Mensch denkt und Gott
der Allmächtige lenkt."
„Na und da?"
„Ja, sseht die Frau Muhme," fuhr er fort, „wie ich
denn gar nicht mehr weiter vorwärts konnte, da verlief mir
derselbe gutherzige Mann, der ein reicher Gutsbesitzer in der
Lausitz geworden war, um mir wieder auf die Beine zu helfen,
einen funkelnagelneuen Gasthof, der zu seinem Gute gehörte,
für ein wahres Spottgcld."
„Einen Gasthof?" fragte die Frau Muhme voll Entsetzen.
„Ja! wie man's gerade nehmen will, Frau Muhme,
einen Gasthof und auch keinen. Es war eigentlich kein Gast-
Hof nicht, sondern eine Kartoffelspiritusbrennerci. Aber da das
Geschäft nicht ging, so machten wir einen Gasthof draus."
„Lag er denn an der großen Straße? forschte die Frau
j Muhme weiter.
„Ei! bei Leibe nicht, Frau Muhme," versetzte er eifrig,
„er lag weit hinter dem Gute so recht still und behaglich, wie
; ich's grade gern habe, und ein Grascgarten darum herum."
„Aber, Vetter Andres, Vetter Andres!" wandte die Frau
Muhme ein, „ein Gasthof muß doch an der großen Straße
liegen!"
„Ja, das wohl, Frau Muhme; aber cs gab ja bei dem
ganzen Orte keine große Straße, lauter schmutzige und garstige
Dorfwege."
„Nun? und da wurdest Du dann Gastwirth?"
„Da wurde ich denn mit der Gottes Hülse ein Gastwirth,
Frau Muhme, das heißt eigentlich, ich wurde cs und wurde cs
auch nicht, wic's die Frau Muhme beliebt. Ich richtete mich
mit der Gottes Hülfe recht schön ei», meublirte das Haus vom
Dach bis in's unterste Stockwerk hinunter recht elegant aus,
ließ von einem reisenden Maler, der 4 Woche» umsonst bei
mir logirtc, eine große goldene Sonne mit 25 Strahlen, —
das sollte meine Glückssonne vorstclle», Frau Muhme, — auf
ein blaues Schild malen, hing cs über die Thür, schaffte viel
Weißzeug und Glaswerk an, that Wein in den Keller und
Bier in die Fäßcr und hatte meine herzinnigliche Freude daran,
wie mit der Gottes Hülfe Alles so gut ging. Dem Waiscn-
Knaben zog ich ein grünes Collet mit blanken Knöpfen an
und band ihm eine grüne Schürze vor, worüber sich der kleine
Schelm schier todt lachen wollte. Er mußte mit der Gottes
Hülfe den Zimmerkellner machen, und seine Schwester die
Zimmermagd und Schenkjungfcr. Aber sicht die Frau Muhme,
die Sache war nur die, daß durchaus keine Gäste nicht kamen,
außer einigen Weinrciscnden aus dem Frankenlande, denen ich
doch immer ehrenhalber Wein abnehmcn mußte. Hin und
wieder gab ich denn einmal den Honoratioren und Herren
Geistlichen aus der Umgegend, — sie kamen drei Meilen weit
und ließen sich den Weg nicht verdrießen, — ein Tractcment,
um meinen Wein nicht unnütz im Keller zu haben, und diesen
Gästen gcficl's denn auch mit der Gottes Hülfe gar sehr in
meinem Hause. Aber zu aller allerletzt, das heißt so vor einem
Vierteljährchcn Hab ich den Gasthof wieder mit der Gottes
Hülfe meinen Schuldnern überlassen und . . . ."
„Deinen Schuldnern?" fragte die Frau Muhme zweifelnd.
„Na! was sag' ich denn da, Frau Muhme! eigentlich
nicht meinen Schuldnern, sondern meinen Borgcrern . . . oder
wie heißt man doch die Leute, denen man was schuldig ist,
Frau Muhme?"
„Du willst doch nicht sagen, Deinen Gläubigern, Vetter
Andres?"
„Gerade das wollt ich sagen, Frau Muhme. Ja! wie
gesagt, denen Hab' ich mit der Gottes Hülfe Gasthof, Pferde
und Wagen und Alles was drum und dran hing, überlassen."
„Aber mein Jesus, mein Jesus! Vetter Andres," fuhr
die Frau Muhme wie aus einem schweren Traume erwachend
nach einer Weile fort, „von alle dem hör' ich ja das erste
Wort!"
„Ja! ganz natürlich, Frau Muhme, ich habe ja auch
eigentlich Niemanden Nichts davon gesagt. Aber dcrowcgen
bin ich ja jetzt grade mit der Gottes Hülfe zu der Frau
Muhme gekommen, um es der Frau Muhme zu erzählen."
„Aber ich verstehe Dich nicht, Vetter Andres," fuhr die
gute Frau ungläubig fort, „warum hast Du denn, wenn Du
etwas schuldig warst, kcins deiner schönen Kapitalien gekündigt
und ausgenommen?"
„Das Hab' ich ja gethan, verehrte Frau Muhme, ei! das
Hab' ich wohl gethan!" rief er triumphirend in dem Glauben,
ganz in ihrem Sinne gehandelt zu haben. „Ja! das Hab' ich
mit der Gottes Hülfe schon vor Jahren gethan. Meine letzten
Capitalien Hab' ich schon beim Ankauf meines Gasthofs cingc-
zogcn, das heißt eigentlich nicht eingezogcn, sondern mit der
Gottes Hülfe in den Kauf gegeben. Für 100 Thaler in
Documcntcn habe ich immer ganzer 8l Thlr. 22 Sgr. bekommen.
Da Hab' ich sic denn natürlich ohne langes Besinnen alle
cedirt, wie sie's heißen und verkauft."
„Ist das möglich! Du hättest keine Capitalien mehr,
Vetter Andres?" rief die gute Frau Muhme, in voller Be-
stürzung ihre Hände über den Kopf zusammenschlagend, aus.
„Das kann ja gar nicht sei»! Besinne Dich doch nur!"
(Fortsetzung folgt.)